Auch wenn die goldene Ära des Western schon eine Weile her ist, werden Filmemacher weltweit doch nicht müde, diesem Genre von Zeit zu Zeit neues Leben einzuhauchen. Sei es in Form eines gelungenen Remakes, wie beispielsweise „True Grit“ und „Die glorreichen Sieben“, oder als sehenswerte Romanverfilmung, wie „Appaloosa“ oder „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“. Zu letzterer Gattung zählt auch der seit Kurzem auf Netflix exklusiv erschienene „Neues aus der Welt“.

von Mara Hollenstein-Tirk

Dabei liest sich die Prämisse wie eine eigenartige Verbindung aus Altbekanntem und neuen Elementen. Auf der einen Seite haben wir den etwas älteren Helden (Tom Hanks), der einsam durch die Gegend zieht, sich seinen Lebensunterhalt allerdings durch das Vorlesen von Zeitungen verdient. Dann haben wir das junge, schweigsame Mädchen (Helena Zengel), welches als einzige Überlebende eines Überfalls von besagtem Helden am Straßenrand gefunden wird, wo sich allerdings herausstellt, dass sie als Kleinkind von Indianern verschleppt wurde und eigentlich gerade zu ihren Verwandten gebracht werden hätte sollen. Und so macht sich das ungleiche Duo auf eine lange und gefährliche Reise, an deren Ende mehr auf die beiden wartet, als sie sich jemals zu träumen gewagt hätten.

Dies ist also die Handlung von „Neues aus der Welt“ und doch nur ein grober Umriss. Denn neben ein paar erwartbaren Hindernissen auf dem Weg – man kennt den wilden Westen ja inzwischen aus etlichen Werken und weiß, dass es damals ganz schön zur Sache gehen konnte – überrascht der Film mit sehr viel feinfühligen Zwischentönen. Gerade in der Charakterzeichnung warten ein paar starke Enthüllungen, die für sehr kraftvolle Momente sorgen. Es sind oft die ruhigen Augenblicke, die den Figuren spendiert werden, die den größten Impact beim Zuschauer hinterlassen.

Das liegt natürlich auch daran, dass sie von Darstellern zum Leben erweckt werden, die allesamt ihr Bestes geben. Gerade Tom Hanks als gute Seele macht, wie schon so oft in seiner Karriere, einen hervorragende Job. Dass man bei so einem Hochkaräter auch einfach mal die Mimik sprechen lassen kann, ohne dass es zusätzlicher Worte bedarf, ist da eigentlich selbstverständlich. Viel beeindruckender und vielleicht überraschender ist da die Leistung von Helena Zengel. Die talentierte Kinderdarstellerin durfte ja bereits im deutschen Drama „Systemsprenger“ beweisen, dass ihr wohl eine große Zukunft beschieden sein dürfte, was sie mit ihrer Performance in „Neues aus der Welt“ noch einmal sehr deutlich unterstreicht.

Mit den beiden hervorragenden Hauptdarstellern an vorderster Front fällt es allerdings umso deutlicher ins Auge, dass die restlichen Figuren solch eine ordentliche und vielschichtige Charakterisierung schmerzlich vermissen lassen und stattdessen ein klischeehaftes Stereotyp nach dem anderen bedienen. Macht aber am Ende doch nichts, denn zum Glück verstehen die Menschen hinter der Kamera ihren Job: Regisseur Paul Greengrass kann hier eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass er es nicht nur versteht, an Gedächtnisverlust leidende Geheimagenten gut in Szene zu setzen. Die shaky cam weicht hier dankenswerterweise langen, wohl durchdachten Einstellungen, atmosphärischen Landschaftsaufnahmen und ein paar temporeicheren Actionsequenzen – alles, was so einen richtigen Western eben ausmacht.

Fazit:

Handwerklich auf einem Topniveau, schauspielerisch erste Klasse, unterlegt mit einem stimmigen Soundtrack, veredelt mit einer fesselnden Atmosphäre und garniert mit einer Genre-untypischen Geschichte: es gibt wirklich nicht viel, was man an „Neues aus der Welt“ aussetzen könnte. Also, sattelt die Couch, vergesst die Snacks nicht und nichts wie auf in den wilden, wilden Westen.

Bewertung:

Bewertung: 8 von 10.

(83/100)

Bilder: (c) Netflix