Website-Icon Film plus Kritik – Online-Magazin für Film, Kino & TV

15 unterschätzte Filme des 21. Jahrhunderts (2)

10. “Passion” – Brian de Palma, 2012


Bevor De Palma mit “Passion” 2012 zu alter Stärke zurückkehrte, war lange Zeit nichts von ihm zu hören. Der Macher von Klassikern wie “Carrie”, “Scarface” oder “The Untouchables” fand kein geeignetes Drehbuch, und wohl auch keinen Verleih für ein geeignetes Projekt, bis er in Europa diesen Film realisieren konnte.
Der in eisigen Blautönen fotografierte Film spielt in einem von leblosen Glaspalästen bevölkerten, in kühl-kalten Farben portraitierten Berlin, und handelt von ebenso kühl wie kühn kalkulierenden (weiblichen) (Macht-)Menschen. „Passion“ entpuppt sich dabei als filmisches Rätsel, und als filmischer Essay über (weibliche) Macht.

De Palmas letztes veröffentlichtes Werk nimmt sich dabei selbst nicht allzu ernst, spielt geschickt mit Horror- und Krimi-Motiven, und gekonnten Suspense-Einlagen. Klug, und dabei sehr unterhaltsam.

9. “Das Urteil” – Gary Fleder, 2003


Ein vollkommen untergegangener, vergessener, aber umso bemerkenswerter und spannender Gerichtsthriller mit John Cusack, Rachel Weisz, Dustin Hoffman und einem überragenden Gene Hackman, die ein Ensemble-Cast anführen.

John Grisham-Verfilmungen hatten in den 90-ern Hochkonjunktur: „Die Jury“, „Die Firma“, „Der Klient“ waren allesamt gute Beispiele für gute gemachte, packende Justiz-Thriller, die auf Grundlage von John-Grisham-Romanen entstanden. „Das Urteil“, 2003 gedreht, war schon beim Erscheinen kein großer Erfolg, verschwand aber auch danach vollkommen in der Versenkung. Zu Unrecht: Regisseur Gary Fleder liefert hier ein extrem dichtes courtroom-Drama, das Zugleich ein gelungenes Portrait des US-Justizwesen ist.

Die Regie ist zwar wenig virtuos, aber die solide Erzählweise, das starke und packende Drehbuch und tolle Schauspieler machen „Das Urteil“ zu einem wirklich sehenswerten Film. Themen wie Waffen(gesetze), Korruption im Justizwesen, und moralische Überlegungen werden dabei vielschichtig und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Vielleicht liegt es daran, dass der Film all diese Themen relativ „trocken“ anpackt, ohne große Effekte und Firlefanz.

Doch Dranbleiben lohnt sich: Nach gut einer Stunde nimmt der Film richtig an Fahrt auf. Zu erwähnen ist weiters der gut eingespielte Ensemble-Cast, aus dem Gene Hackman als zynischer „Jury-Berater“ hervorsticht. Zusätzlich wurde ins Drehbuch ein gelungener Cliffhanger eingebaut, ein Haken, der sich erst am Ende auflöst. Jedenfalls sehr empfehlenswert, nicht nur für Freunde von Gerichts-Thrillern.

8. “Silence” – Martin Scorsese, 2016

Nach dem sehr erfolgreichen “Wolf of Wall Street”, der auch höchst unterhaltsam war, drehte Regie-Ikone Scorsese das exakte Gegenteil davon: “Silence” ist quasi ein Anti-Scorsese-Film, der sich durch eine beinahe unerträgliche Langsamkeit in der Erzählweise auszeichnet, die aber so intendiert ist.

Scorsese nimmt uns mit auf eine Tortur, eine filmische Qual, die Fragen nach Glauben, Hoffnung, Zweifel gekonnt behandelt. Neben der für Scorsese ungewöhnlichen Langsamkeit, sonst zeichnen sich seine Werke nicht selten durch temporeiche Inszenierungen aus, ist der Film auch sehr reduziert, und der Einsatz filmischer Mittel ist vollkommen zurückgefahren. In diesen Punkten liegt wohl auch die Tatsache begründet, dass der Film von großen Teilen des Publikums abgelehnt, oder schlichtweg ignoriert wurde.

Für viele steht und stand Scorsese für virtuos fotografierte Mafia-Filme, und an seine religiösen Sujets können sich viele nicht, oder nur schwer, gewöhnen. “Silence” ist aber bei all dem kein schlechter Film, im Gegenteil: Man braucht aber jedenfalls Geduld, einen langen Atem, “Leidensfähigkeit” (so wie die Protagonisten), und die Fähigkeit zur “geistigen Versenkung”, um diesen Film durchzuhalten. In unserem heutigen schnelllebigen, reizüberfluteten Zeitalter durchaus eine Herausforderung. Wer aber dranbleibt, wird schlussendlich belohnt.

7. “Hollow Man” – Paul Verhoeven, 2000

Verhoeven erlebt derzeit eine echte Renaissance: Viele seiner Filme der 90-er werden gerade wiederentdeckt, und neu bewertet, bzw. revidiert.

“Hollow Man” war der letzte Versuch von Verhoevens ca. 15-jährigem Hollywood-Experiment, und ist vor Allem eines: Höchst unterhaltsam.
Die ironisch unterfütterte Gesellschafts-Kritik, die viele andere Verhoeven-Filme ausmacht, ist zwar hier kaum zu finden, stattdessen genügt sich “Hollow Man” darin, den Zuseher in die Irre zu führen, und ihm die Frage zu stellen: “Was würdest du machen, wärst du plötzlich unsichtbar?”, d.h. mit unbegrenzter Macht ausgestattet.

Vor Allem aber visuell, und tricktechnisch, kann der Film durchaus überzeugen, die gezeigten Effekte sind teils schlichtweg atemberaubend; hinzu kommt ein exquisiter Soundtrack von Alt-Meister Jerry Goldsmith, der dem Film eine weitere bekömmliche und schauerliche Note hinzufügt.

6. “Before the devil knows you are dead” – Sidney Lumet, 2007


Einer der stärksten Thriller des neuen Jahrtausends; dennoch weitestgehend unbekannt: Der letzte Film von Regie-Ikone Sidney Lumet – und einer seiner heftigsten. Die Geschichte ist hier so “over the top”, dass es kaum erträglich ist. In seinen eigenen Worten wollte Lumet ein “Melodram” schaffen, das den emotionalen Inhalt so weit “pusht”, dass es gerade noch glaubhaft bleibt, ohne wie eine Karikatur zu wirken. Das gelang ihm hier ausgezeichnet.

Philipp Seymour Hoffman überzeugt in seiner Darstellung als erfolgreicher, aber verzweifelter (und heroinabhängiger) Unternehmer und Familienvater, der die “Puzzlestücke seines Lebens” nicht zusammensetzen kann, und seinen jüngeren Bruder, der unter finanziellen Schwierigkeiten leidet, überredet, den Juwelenladen ihrer Eltern zu überfallen. Der Raub endet im Desaster, und sie sowieso schon zerrütteten Familienverhältnisse werden auf eine harte Probe gestellt, die nicht bestanden werden kann.

Was immer man von einem “emotional fordernden” Thriller oder Melodrama erwartet, “Before the devil knows you are dead” geht noch ein Stück weiter. Wenn am Ende die Film-Credits über den Bildschirm laufen, hat man das Gefühlt, direkt in der (menschlichen) Abgrund gestarrt zu haben.

->-> TEIL 3: 15 unterschätzte Filme des 21. Jahrhunderts/ 15 most underrated movies of the 21st century: Teil 3

Die mobile Version verlassen