Man kann ruhig behaupten, dass Charlie Kaufman die Kunst des Drehbuchschreibens revolutionierte: Nie davor und selten danach schafften es derart schräge Stoffe ins Mainstream-Hollywood-Kino, Filme wie „The Lobster“ wären ohne diese Vorarbeit schwer denkbar.

Den Durchbruch schaffte Kaufman 1999 mit „Being John Malkovich“, dieser bizarren, surrealen Tragik-Komödie, in der Realität und Traumsequenzen virtuos verschmolzen werden, und die sich kaum mit davor Dagewesenem vergleichen lässt. Kaufman gelang zudem das seltene Kunststück, dass danach mehr über ihn und sein Drehbuch gesprochen wurde, als über ebenfalls (Regie-)Debütant Spike Jonze – inzwischen auch kein Unbekannter. Es folgten nicht minder sehenswerte Werke wie der geniale und höchst unterhaltsame „Adaption“ (zudem eine der letzten, großen Rollen von Nicolas Cage), „Vergiss mein nicht“ („Eternal Sunshine of a Spotless Mind“) inklusive dem längst verdienten Drehbuch-Oscar, das Regie-Debüt mit „Synecdoche, New York“ oder zuletzt, 2015, „Anomalisa“.

Kaufman-Filme entziehen sich gängigen Kategorisierungen, eine Kaufman-Geschichte ist aber vom ersten Moment an an solche erkennbar. Ebenso unverkennbar auch die Story hinter „Being John Malkovich“:

Craig Schwartz (John Cusack) ist Puppenspieler aus Passion: Doch die „hohe Kunst“, Figuren aus Holz nach den Fäden an seinen Fingern tanzen zu lassen, bringt kein Geld ein. Deshalb drängt ihn Frau Lotte (Camerion Diaz) dazu, sich doch endlich einen „richtigen“ Job zu suchen. Gesagt – getan, Craig bewirbt sich als Bürokraft und Aktensortierer – eine Tätigkeit, bei der ihm seine „schnellen Finger“ zugute kommen sollten – bei „Lester Corp“, einer Firme, die sich auf Ebene 7.5 eines Hochhauses in Manhatten befindet – Zutritt nur durch vorhergegangenes manuelles Stoppen des Aufzugs. Die Räumlichkeiten von „Lester Corp“ sind ebenso niedrig wie die Mitarbeiter schräg – doch Craig bekommt den Job. Während der Arbeit entdeckt er eines Tages eine kleine Tür in der Wand hinter einem Aktenschrank, die in ein „schwarzes Loch“ mündet. Schwartz betritt das unbekannte Terrain – und findet sich als „blinder Passagier“ in „John Malkovichs Kopf“ (ja, der berühmte Schauspieler) wieder, bis er nach rund 15 Minuten wieder „ausgespuckt“ wird.

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Der kurze Story-Abriss sollte bereits illustrieren, was einen in „Being John Malkovich“ erwartet: Schräge Szenen, bizarre Dialoge, ein höchst surrealer Plot – aber all das, ohne „unglaubwürdig“ oder lächerlich zu wirken. Kaufman gelingt es, seine „verrückte“ Welt derart „normal“ wirken zu lassen, dass man zwar mit den Figuren mitfühlt, sich aber nach einer Weile kaum mehr Gedanken darüber macht, dass vieles von dem Gesehenen eigentlich ziemlich seltsam ist.

Mit Spike Jonze hat Kaufman einen idealen Kollaborateur gefunden (mit dem er noch mehrmals zusammenarbeiten sollte), der seine genialen Ideen entsprechend auf die Leinwand übertrug. Der Erfolg gab beiden Recht: Sie wurden jeweils – bereits bei ihrem Debüt – mit einer Oscar-Nominierung bedacht.

Die Schauspieler machen ihre Sache durchwegs ordentlich: John Cusack ist weniger nervig als sonst, Cameron Diaz kann in der für sie (verglichen mit ihren späteren Parts) durchaus ungewöhnlichen Rolle überzeugen, und John Malkovich brilliert als er selbst, als berühmter Schauspieler, der Schritt für Schritt – und im wahrsten Sinne des Wortes – den Verstand (an andere) verliert.

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„Being John Malkovich“ spielt geschickt mit verschiedenen Erzähl- und Zeitebenen, verwebt Traum und Realität, unternimmt ausgedehnte Reisen ins Reich der Fantasie – ohne dabei vollkommen fantastisch zu werden – und übt eine schwer zu beschreibende Faszination auf den Zuseher aus. Gewarnt seien aber alle Fans geradliniger Thriller, gründlicher Action-Kracher, konventioneller 0815-Filme, die sich an klaren Genre-Regeln orientieren: Sie werden mit „Being John Malkovich“ wenig Freude haben.

Allen anderen, und vor Allem jenen, die auf der Suche nach „besonderen Filmen“ sind, sei ein Blick in den Film ans Herz gelegt, es erwartet sie ein ungewöhnlicher, eigensinniger Film, der inzwischen – und vollkommen zurecht – zum Kult-Klassiker geworden war; der nicht unerheblich dazu beigetragen hatte, dass unkonventionelle Independent- Streifen Anfang der 2000-er einen wahren „Boom“ erlebten, sowohl von Publikum und Kritik, als auch von Produzenten gefordert und gefördert wurden.

von Christian Klosz

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