Als ich zum ersten Mal von diesem Film hörte, war mir der Name Tonya Harding nicht bekannt. Durch die mediale Berichterstattung und die Teilnahme an der Awardseason sickerten jedoch einige Informationen zu mir durch. Tonya, Eiskunstläuferin, soll ihrer Freundin und Konkurrentin im Vorfeld der olympischen Spiele das Knie zerschlagen (lassen) haben. Okay. So weit, so verrückt. Nach langem Warten, war es nun aber so weit und ich konnte „I, Tonya“ endlich selbst im Kino bewundern. /
von Valerian Happenhofer
Was soll man nun dazu sagen? Die Geschichte verliert auch auf der Leinwand nichts an ihrer Absurdität. Tonya (Margot Robbie) wird von ihrer Mutter (Oscargewinnerin Allison Janney) schon als Kleinkind auf das Eis gezerrt. Von da an scheint es wenig Anderes in ihrem Leben zu geben. Tägliches Training, Vernachlässigung der Schule und ein Familienumfeld, welches niemandem zu wünschen ist, bringen Harding dazu, an diversen Wettbewerben teilzunehmen. Ihre schroffe Art scheint auf wenig Gegenliebe bei den Juroren zu stoßen. So bleibt sie immer die asoziale Außenseiterin, bis sie eines Tages einen besonders schwierigen Trick erfolgreich aufs Eis zaubert.
So weit, so amerikanisch romantisiert. Leider lernt Tonya mit 15 Jahren in ersten Mann (Sebastian Stan) kennen. Die zunächst schöne junge Liebe entwickelt sich schnell zu einer zerstörerischen gewaltsamen Beziehung, die schwere und fatale Folgen für ihre Karriere haben wird.
Wer sich jetzt denkt: „Hey, der Trailer sah doch eigentlich humorvoll aus?“, der hat recht. Der Film will auch humorvoll sein. Nach „Lars And The Real Girl“, dem letzten größeren Geheimtipp von Regisseur Craig Gillespie, soll hier eine groteske Geschichte erzählt werden. Durch mehrere Interviewsituationen, mehrfaches durchbrechen der “vierten Wand” und Kommentare zum Geschehen unterstreicht der Film seine eigene Moral. Zunächst noch mit einigen mehr oder weniger witzigen Sequenzen angehäuft, beginnt der Film nach und nach sich selbst zu reflektieren. Wir, die Zuseher, die wir uns lustig darüber machen wie, zugegeben dämlich, sich manche Leute verhalten, werden bald selbst zum Ziel des Films.
Denn es geht weder darum, die Geschichte von Tonya Harding historisch korrekt zu ergründen, noch die Wahrheit ans Licht zu bringen. Der Film selbst sagt: „there‘s no such thing as truth, everyone has their own truth.“ Vielmehr geht es darum, dass es oft völlig egal ist, was wahr ist oder nicht. Hauptsache, man ist unterhalten. Durch diese zwar plakativ übermittelte Botschaft erreicht der Film dennoch mehr Tiefe, als er es als reine Komödie geschafft hätte. Denn schaut man sich seine Charaktere an und denkt über ihre Beweggründe nach, offenbart sich einem ein eigentlich schwer trauriger Film. Traurig, weil das Umfeld, in welchem eine Person aufwächst, ihr ganzes Leben negativ beeinflussen kann. Traurig, weil man heutzutage vielleicht mehr denn je zu spüren bekommt. wie unwichtig Fakten sind. Es geht immer um die bessere Story, die mehr Emotionen wecken kann.
Von der technischen Seite lässt sich der Film als solide bezeichnen. Zwar werden die Eiskunstlaufszenen spektakulär gefilmt, mit einer Kamera die selbst auf dem Eis zu tanzen scheint. Dennoch fällt gerade bei diesen Szenen stark auf, dass Margot Robbies Kopf auf einen fremden Körper getrickst wurde, was oft zu gruseliger Mimik führt. Hier wären zudem mehrere Perspektiven auf den Eiskunstlauf wünschenswert gewesen.
Die Musik im Film ist teilweise direkt aus Hardings Performances übernommen und wird gemischt mit Liedern der jeweiligen Zeit. Auch hier wurde etwas Potential für eine eindringlichere Musikauswahl liegen gelassen. Das Schauspiel im Film ist hingegen durchgehend überzeugend. Margot Robbie nimmt man die Rolle stets ab, auch wenn sie für manche Teile des Films doch zu alt wirkt. Sebastian Stan wirkt trotz unschöner Rolle doch immer wieder sympathisch. Allison Janney spielt natürlich sehr überzeugend und hat ihren Oscar redlich verdient. Abseits vom Hauptcast bleiben die schauspielerischen Leistungen auch gut, nur fehlt ihnen ein ausgefeilteres Drehbuch. Teilweise erscheinen Charaktere doch sehr einseitig und werden zu Witzfiguren, was gerade bei diesem Film nicht passieren hätte sollen.
Fazit:
„I, Tonya“ ist sicher ein besonderer Film. Er ist kein gewöhnliches Biopic, und auch weder reine Komödie, noch reines Drama. Irgendwo dazwischen kann sich der Film einreihen. Leute, die die Geschichte nicht mitverfolgt haben und erst durch diesen Film über Tonya Harding erfahren, könnten ein wenig Zeit brauchen, um zu verstehen, wieso es diesen Film braucht. Denn die Message wirkt wohl stärker, wenn man schon vorher weiß, was damals vorgefallen ist. Wer Lust auf einen intelligenten aber nicht perfekten Film hat, macht mit „I, Tonya“ nichts falsch. Ob der Film allerdings noch lange im Gespräch bleiben wird, jetzt wo auch die Awardseason schon vorbei ist, bleibt offen.
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