Vor wenigen Tagen verstarb 87-jährig US-Autor und Journalist Tom Wolfe. Mit „Fegefeuer der Eitelkeiten“ („The Bonfire of the Vanities“) schuf er eine der großen Satiren der amerikanischen Literatur, die 1990 von Brian de Palma gelungen verfilmt wurde.


Bei manchen Filmen oder Regisseuren ist es schwer nachzuvollziehen, warum sie bei Publikum und Kritik durchfallen, oder verrissen werden. In manchen Fällen mangelt es einfach an der Qualität, in anderen ist die Sache komplizierter: vor Allem dann, wenn die Werke und Absichten der Filmemacher missverstanden werden. Neben Paul Verhoeven ist Brian de Palma ein Kandidat für diese Kategorie, vor Allem sein Film „Fegefeuer der Eitelkeiten“ wurde von der US-Kritik ordentlich unter seinem Wert geschlagen. Und das vollkommen zu Unrecht.

Die Kontroversität illustriert auch die Tatsache, dass der auf Tom Wolfes satirischem Epos „The Bonfire of the Vanities“ basierende Film in den USA und Europa vollkommen unterschiedlich rezipiert wurde. Während Kritiker hier dem Film durchaus wohlwollend begegneten, ihn als geistreiche Gesellschaftssatire der US-Society mit Witz und Humor erkannten, wurde er im Produktionsland gar mehrfach für die „Goldenen Himbeere“ für besonders schlechte Leistungen nominiert.

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Neben de Palmas (meist unbeabsichtigter) Neigung zum Skandal mag das vor allem am zynischen Witz, an der beißenden Ironie, am Fehlen jeglicher political correctness liegen, die „Fegefeuer der Eitelkeiten“ auszeichnen. Er unterwandert gängige Kategorien des US-Mainstreamfilms, bricht simple Schwarz-Weiß-Darstellungen, und mokiert sich über alle Klassen, Milieus, Ethnien.

Der Protagonist wider willen ist hier Sherman McCoy, pfiffiger Börsenhändler mit viel Geld und wenig Charakter, gespielt von Tom Hanks, der unabsichtlich in einen Autounfall in der Bronx verwickelt wird. Der von seinem Auto Angefahrene liegt im Koma, weil es sich um einen Bewohner eines schwarzen Armenviertels handelt, kümmert das zuerst niemanden. Bis auf Abe Weiss (Murray F. Abraham), jüdischer Bezirksstaatsanwalt mit Bürgermeisterambitionen, der den Fall für sich instrumentalisiert: Eine ordentlich orchestrierte Hexenjagd auf WASP McCoy, so die perfide Überlegung, sollte ihm genügend Stimmen von Schwarzen und anderen Minderheiten einbringen.

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In diesem Film bekommt wirklich jeder sein „Fett weg“, und das macht ihn so sehenswert: Nicht nur der in seiner Einfältigkeit abgehobene McCoy, (der am Ende doch triumphieren wird), nein, ebenso seine affektierte Gattin, ganz upper class bitch, seine Geliebte, die durchtriebene Südstaatenschönheit, der zwielichtige schwarze Prediger, der bei seinem Einsatz für die Unterprivilegierten vor Allem eigene Interessen verfolgt, und, nicht zuletzt, der jüdische Anwalt, Vertreter des „liberalen Amerikas“, der Ethnien gezielt gegeneinander ausspielt, um Bürgermeister zu werden.

Vermutlich liegt darin auch der große Misserfolg, vor Allem in den USA, begründet: Amerikanische Kinogänger wollen unterhalten werden, den Spiegel bekommt man selten gerne vorgehalten, noch dazu wenn er derart bitterböse und dunkel funkelt. Im Kern geht es in „Fegefeuer der Eitelkeiten“ um eine humorvolle bis zynische Abrechnung mit menschlichen Schwächen, um den Verlust von Anstand und Moral, um die Verkommenheit der Gesellschaft, in der sich jeder selbst der Nächste ist: An Aktualität also kaum zu überbieten.

von Christian Klosz