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„Die bauliche Maßnahme“ – Kritik

// Fürchten vor den Flüchtenden

eine Filmkritik von Elisabeth Leeb

Zwei Jahre lang hat Regisseur Nikolaus Geyrhalter an seinem neuen Dokumentarfilm „Die bauliche Maßnahme“ gearbeitet, der im Rahmen des Filmfestivals Diagonale 2018 Premiere feierte – und dort prompt den Preis für den besten Dokumentarfilm erhielt. Der Begriff „bauliche Maßnahme“, der von der Ex-Innenministerin Mikl-Leitner eingeführt und anschließend von diversen Medien aufgegriffen wurde, soll eine Umschreibung für einen Grenzzaun, in dem Fall zwischen Italien und Österreich, darstellen.

95 Minuten lang wird von der Errichtung dieses Grenzzauns, der in den Jahren 2016/17, zur Zeit der großen „Flüchtlingskrise“ am Grenzübergang Brenner geplant war, erzählt. Dabei lässt Geyrhalter sowohl Befürworter als auch Gegner des Maschendrahtzauns aus der Region zu Wort kommen.

Der Film steigt in das Thema sehr humoristisch ein, indem eine Pressekonferenz der Polizei gezeigt wird, bei der Diverses schief geht. Das Lachen vergeht einem jedoch schnell, spätestens als mit den Flüchtlingen mitfühlende Jäger zu Wort kommen. Neben den zwei Jägern am Brenner wird unter anderem ein Tiroler Biobauer interviewt, der zu der Situation nur Folgendes äußern kann: „Das ist eine schizophrene, eine tragische Situation, sich vor jenen zu fürchten, die vor Krieg flüchten mussten. Die vor Gewalt flüchten. Vor die [sic!] braucht man sich normalerweise nicht fürchten, weil die Heimat verlasst niemand gern.“

Dem werden unter anderem Meinungen einer Mautkassiererin sowie einer Nordtirolerin, gegenübergestellt, die ihre Heimat, wie sie sie kennen, nicht verlieren wollen. Zum Essen gibt es bei der eingefleischten Tirolerin im übrigen Kürbissuppe mit Couscous.

Gefilmt wird meist mit einer statischen Kamera in Halbtotalen sowie in Totalen mit langsamen, sich Zeit lassenden Kameraeinstellungen. Dadurch wird dem Zuseher zusätzlich eine ruhige beziehungsweise gelassene Stimmung vermittelt, obwohl sich diese vor Ort ganz anders darstellt: Idyllische Landschaftsaufnahmen treffen auf die Bohrstellen des geplanten Brennerbasistunnels.

Die Nachrichten, die in einigen Sequenzen immer wieder aus den Fernsehern in Cafés oder bei den Interviewten zuhause zu hören sind, fungieren als zentrales Mittel, gewissermaßen als „Kitt“ des Films. Sie verbinden die ganze Filmdauer hindurch die handelnden Personen mit verschiedenen politischen Ansichten. Auch wenn sich gerade an diesem Ort die ganze Thematik abspielt, genau hier am Brenner „gegen flüchtende Menschen hochgerüstet“ werden soll, wie in einer der gezeigten Fernsehnachrichten formuliert wird, wirkt in den gezeigten Sequenzen alles doch so fern.

Verwirklicht wurde die „bauliche Maßnahme“ schlussendlich im übrigen jedoch nicht. Die unterschiedlichsten Reflexionen der agierenden Menschen des Dokumentarfilms sind trotzdem sehr sehens- und hörenswert. So regen die vorgetragenen Äußerungen auch nachwirkend zum Denken an. Geyrhalter gibt seine eigene politische Meinung nie offenkundig preis, dennoch kann man seine persönliche Einstellung zu der Thematik erkennen. Und das ist auch gut so.

links: Geyrhalter mit dem Preis bei der Diagonale

Bilder: Diagonale 18.

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