// „Be daring, be different, be impractical“

Das dreifach Oscar-prämierte Multitalent des letzten Jahrhunderts hat einen Namen: Sir Cecil Beaton. Beaton war angesehener Fotograf, Grafiker, Autor, Bühnenbildner und auch Kostümbildner, der heute vor allem für sein außergewöhnliches Kostümdesign sowie sein Szenenbild für die Filme „Gigi“ (1958) und „My Fair Lady“ (1964) bekannt ist. Lisa Immordino Vreelands Dokumentarfilm „Love, Cecil“ stellt in 99 Minuten eine gelungene Mischung aus Archivaufnahmen, Interviews mit diversen Bekannten Beatons, Fotomaterial und Auszügen aus seinen persönlichen Tagebüchern dar.

von Elisabeth Leeb

Für den Jahrhundertfotograf stellte das Theater eine Parallelwelt dar, in der alles möglich ist. Genauso wollte er jeden Tag seines Lebens verbringen. Obwohl Beaton aus einer durchschnittlich wohlhabenden Kaufmannsfamilie stammte, schaffte er es bald, sich einen Namen in der britischen Upper-Class zu machen. Unter Mithilfe des englischen Kunstsammlers und Mäzens Peter Watson, der gleichzeitig auch eine der drei großen Lieben des Engländers war, verschaffte er sich Zugang zu der berüchtigten Gruppe „Bright Young Things“. Diese jungen, bohemianen Aristokraten und Prominenten der 1920er Jahre zählte er von nun an zu seinem engsten Freundeskreis. Ab da ging es für Beaton, der von sich selbst sagt, dass er mit wenig Talent, aber mit viel Ehrgeiz startete, steil bergauf. Doch für wen es auf der Karriereleiter schnell steil bergauf geht, für den kann es bekanntlich genauso schnell wieder bergab gehen – so auch für Beaton.

Im Jahre 1937 illustrierte er für die amerikanische Vogue einen Artikel mit winzigen, antisemitischen Phrasen. Auch, wenn Beaton dies im Nachhinein zutiefst bereute, nahm ihn in seinem Umfeld niemand mehr ernst und er erhielt keine Aufträge mehr. Erst seine heute eher unbekannten Kriegsportraits, mit denen er versuchte, das Geschehene wieder gut zu machen, verhalfen ihm erneut zu besserem Ansehen. Gerade diese Fotos sind es, die besonders ergreifend erscheinen.

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Den ganzen Film hindurch wird eine Stimmung vermittelt, die einerseits melancholisch ist, andererseits aber durchaus inspirierend auf den Zuseher wirkt. Auf der visuellen Ebene arbeitet die Regisseurin viel mit Split-Screens und einem Wechsel zwischen Farb- und Schwarz-Weiß-Aufnahmen, der durch die Verwendung des Archivmaterials gegeben ist. Ansonsten sind die Kameraaufnahmen recht konventionell gehalten.

Beaton wirkt in den gezeigten Interviews unfassbar ehrlich: So lässt er immer wieder seine ungeschönte Meinung über bekannte Persönlichkeiten durchblicken, mit denen er zusammengearbeitet hatte. In einem Tagebucheintrag über Elizabeth Taylor und Richard Burton schreibt er unter anderem folgendes: „I have always loathed the Burtons for their vulgarity, commonness and crass bad taste, she combining the worst of US and English taste…“

„Love, Cecil“ zeigt Beaton als jemanden, der es sich Zeit seines Lebens zum Ziel machte, wagemutig und vor allem anders als alle Anderen zu sein. Die künstlerische Provokation war für ihn stets Mittel zum Zweck, er versuchte so seine Individualität zum Ausdruck zu bringen. Seine Portraits bildeten selten lediglich die Realität ab. Stattdessen setzte er viel auf Ästhetik und inszenierte daher oft die Situation. Da dies damals noch unüblich war, gilt er für viele als Vorreiter auf seinem Gebiet. So sagt Beaton in einer seiner letzten Interviews über sich: „I created a fantasy, I created a dream world“.

Immordino Vreeland lässt nicht nur Freunde und Fans Beatons zu Wort kommen, sondern auch kritische Stimmen. Selbst diese Kritik betrifft allerdings lediglich Beatons persönliches Naturell, da auch seine Kritiker seine Werke für beachtlich befinden. Die Regisseurin bringt es zustande, dass der Zuseher beziehungsweise die Zuseherin stets mit Beaton mitfühlt und seine Handlungen, zumindest meistens, nachvollziehen kann. Die erzeugte Stimmung des Films ergreift den Zuseher und lässt einen nicht mehr so leicht los. Als einer der wenigen Kritikpunkte lässt sich anmerken, dass der Film stellenweise zu gewollt versucht, die Off-Stimme, die aus Beatons Tagebuch vorliest, zu visualisieren; hier sollte der Eindruck erweckt werden, dass man den Fotografen selbst sprechen hört.

Fazit:

Die Regisseurin Lisa Immordino Vreeland schafft es in diesem Portrait, Beatons Persönlichkeit und dessen Sinn für das Visuelle, seine Kreativität und sein Talent für das Visionäre zu vermitteln. Obwohl Beatons Lebenswerk ausführlich und recht neutral ohne außergewöhnliche Stilmittel inszeniert wird, verliert man nie die Lust zuzusehen. Ein Film, der auch für Menschen, die noch nie etwas von diesem ungewöhnlichen Künstler gehört haben, interessant, aber vor allem auch motivierend sein kann.

Bewertung:

8 von 10 Punkten

 

ab 13.7.2018 im Kino.

Bild: c Studiocanal / Constantinfilm