Der neueste Streich der Coen-Brüder feierte am Freitag bei dem Streaminganbieter Netflix seine Premiere. Damit folgen die Gebrüder einem Trend, dem sich in letzter Zeit auch einige ihrer namhaften Kollegen angeschlossen haben. Die Gründe dafür mögen unterschiedlich und mannigfach sein, aber dennoch ist durch diese Entwicklung eines nicht von der Hand zu weisen: Netflix schafft es, das Ansehen seiner Eigenproduktionen durch solch großen Namen immer weiter zu steigern. Umso erfreulicher ist es dann, wenn es nicht nur die Namen allein sind, die für eine weitere Aufwertung sorgen, sondern die Filme auch aufgrund ihrer Qualität zu überzeugen wissen – genau dieses Kunststück gelingt den Coens mit ihren sechs Westernerzählungen.

Klassisch, wie wir es aus den guten alten Zeiten kennen, schlägt zu Beginn des Films eine gesichtslose Hand die Seite eines Buches auf, eines Buches, in dem die sechs Geschichten niedergeschrieben sind, derer der Zuseher sodann Zeuge werden soll, Geschichten, die von Revolverhelden und Jungfern in Not, vom wilden Westen und den endlosen Prärien, von Schurken und Glückjägern handeln. Die titelgebende Erzählung stellt dabei nur die erste Geschichte und damit den kurzen Einstand dar, setzt aber schon in fingerfertiger, gewitzter Coen-Manier den Grundton für das gesamte Spektakel.

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Ihr Markenzeichen, die ausgefeilten und schnellen Dialoge, kommen dabei ebenso wenig zu kurz, wie der beinahe schon legendäre schwarze Humor, allerdings mischt sich unter all die Leichtigkeit auch immer wieder der Ernst dieses Lebens in Staub und Ungewissheit, hier darf auch mal Blut fließen, hier dürfen Geschichten tragisch enden und jegliches Augenzwinkern verstummen. So bieten manche der Geschichten tatsächlich schockierende Momente, die man ob der nonchalanten Art der prinzipiellen Herangehensweise nicht vermuten würde. Dabei ist es genau die Mischung, die den Reiz der einzelnen Erzählungen und des Werkes als solches ausmacht. Nie kommt Langeweile auf und stets wird dem Zuschauer eine weitere faszinierende Facette des vielschichtigen Westerngenres gezeigt.

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Auch die Wertigkeit der Produktion weiß zu überzeugen, wohl auch wegen der fabelhaften Schauspieler, die für das Projekt gewonnen wurden. Gekonnte Aufnahmen vor zumeist natürlichen Kulissen erzeugen eine Authentizität, die es dem Zuschauer erlaubt, sich auf die Charaktere dieser kurzen aber nicht minder intensiven Abenteuer einzulassen, und nur in seltenen Ausnahmen sieht man, wie mit ein wenig CGI nachgeholfen werden musste.

Fazit:

Alles in allem ist „The Ballade of Buster Scruggs“ ein wirklich gelungener Vertreter des zumeist etwas stiefmütterlich behandelten Episodenfilms, der es hervorragend meistert, die verschiedenen Spielarten des Westerngenres zu honorieren, zu vermengen und schließlich auch ein wenig zu dekonstruieren. Zwar kommt der Film leider ob seiner unzusammenhängenden Episodenhaftigkeit nicht ganz an die Stärke und Intensität von Filmen wie „True Grit“ heran, aber einen unterhaltsamen Abend und einige unvergessliche Szenen bietet er allemal.         Seit 16.11. auf Netflix

Bewertung:

8 von 10 Punkten

von Mara Hollenstein

 

Bilder: Netflix