Wer dieser Tage dem medialen Echo der Filmlandschaft lauscht, wird einen Titel höchst-wahrscheinlich mehrfach vernehmen; Die Rede ist von „Bird Box“, dem neuesten Streich des Streamingriesen Netflix. Der post-apokalyptische Horrorfilm ist seit dem 21. Dezember 2018 abrufbar und verzeichnete alleine in den ersten sieben Tagen über 45 Millionen Aufrufe. Mag man den Angaben Glauben schenken, avanciert die Eigenproduktion zum erfolgreichsten Film in der elfjährigen Historie des Portals. Doch der Erfolg fördert auch zweifelhafte Reaktionen zutage: Unlängst vermehrten sich die Meldungen über die sogenannte BirdBoxChallenge, bei der Menschen mit verbundenen Augen versuchen diverse Alltagssituationen zu meistern…

Inspiriert wurden sie dabei vom Hauptcharakter des Films, gespielt von Oscarpreisträgerin Sandra Bullock, die in dieser Romanverfilmung versucht, sich und ihre beiden Kinder vor einem unbekannten Bösen zu retten, das die Menschheit bei Sichtkontakt in den Suizid treibt. Warum und weshalb die Wesen die Menschen anfallen und was der Auslöser für ein ebenjenes Szenario war, wird ebenso wie beim letztjährigen Überraschungserfolg „A Quiet Place“ im Dunkeln gelassen. Die Bedrohung dient abermals eher einer metaphorischen Darstellung und wird nicht für bloße Schockeffekte zweckentfremdet.

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Die dabei kreierte Atmosphäre weiß durchaus zu gefallen. Auch wenn der Mittelteil ein bisschen zu lang geraten ist und die Erzählweise auf unterschiedlichen Zeitebenen irgendwann ermüdend wird, sorgt die Story in weiten Teilen der Laufzeit von 117 Minuten für eine in vielerlei Hinsicht sehr düstere und beunruhigende Grundstimmung. Von panischen Personen überrannte Straßen, ein reißender Fluss oder verlassene Ortschaften, bei denen hinter jeder Ecke Gefahr lauern könnte; die Schauplätze sind abwechslungsreich und bieten, je nach Situation, verschiedenste Möglichkeiten der Exploitation. Unterstützt werden die stimmigen Bilder dabei von einem grandios diffusen Soundtrack der Herren Ross und Reznor, die bereits einige Male zusammengearbeitet haben und unter anderem die Filmmusik zu „Gone Girl“ oder „Boston“ beisteuerten.

Aber nicht nur die Stimmung des Films weiß zu überzeugen, auch die schauspielerische Leistung des Ensembles ist durch und durch stark. Insbesondere Sandra Bullock überzeugt in ihrer Rolle als strenge, aber stets fürsorgliche Mutter. Weitere bekannte Namen im Cast sind John Malkovich (Being John Malkovich, Deepwater Horizon), Sarah Paulson (American Horror Story) oder Trevante Rhodes (Moonlight). Und auch wenn die ein oder andere Nebengeschichte etwas hölzern wirkt und speziell die sich entwickelnde Lovestory nicht zwingend notwendig erscheint – die Chemie zwischen den einzelnen Figuren passt soweit und bietet nur wenig Angriffsfläche.

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Ein Aspekt, der aber durchaus kritisch beäugt werden darf, ist die Lückenhaftigkeit der Logik. Gerade gen Ende sorgen einige Ereignisse und Verknüpfungen für kollektives Augenrollen und stehen so leider im krassen Kontrast zur bis dahin gut durchdachten und kreativ inszenierten Storyentwicklung. Da es sich aber wie schon erwähnt um eine Adaption handelt, kann dieser Punkt nur schwerlich dem Film angekreidet werden und geht eher zulasten des Buch-Autors.

Fazit:

Auch wenn der Film aktuell nicht nur für positive Schlagzeilen sorgt, „Bird Box“ hat die Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird, absolut verdient. Wer es schafft, sich in die Protagonisten und ihre Probleme hinein zu fühlen, sieht sich einer albtraumhaften Vision gegenüber, bei dem so mancher sich im Nachhinein wünschen mag, dass er eine Augenbinde zur Hand gehabt hätte.

Bewertung:

8 von 10 Punkten

von Cliff Brockerhoff

 

Bilder: C Netflix