Wer kennt ihn nicht: Silvio Berlusconi, Prototyp des schmierigen Italo-Politikers, des charismatischen Populisten, der die letzten Jahrzehnte der italienischen Politik geprägt hatte, wie kein anderer. Als Außenstehender fragte man sich wiederholt, wie seine Landsleute seinen billigen Tricks das eine ums andere Mal auf den Leim gehen konnten (Berlusconi war vor Trump, Orban, Kurz und Konsorten, wohlgemerkt) – der Film „Loro – die Verführten“ von Paolo Sorrentino („La Grande Bellezza“, „The young Pope“) versucht diese abseitige Faszination zu ergründen, und entwirft ein von berauschenden Bildern pralles und pervers schönes Sittengemälde. Ab 11.1. im Kino.

Berlusconi erschuf einen eigenen Kult, der von endlosen Partys, Exzessen, schönen Frauen und dekadenter Geldverschwendung geprägt war: Jeder wollte ein Stück des schmackhaften Kuchens, des auf Träumen gebauten dolce vita, das er seinem Volk, den Italienern, versprach. Auch Sergio, der Kleinkriminelle aus der Provinz, will an Berlusconi rankommen, verspricht sich davon Geld und etwas Macht und rosige Aussichten auf die Zukunft. Wie einst Jay Gatsby in F. Scott Fitzgeralds literarischem Meisterwerk mietet er ein prunkvolles Anwesen und startet eine endlose Party, um den Cavaliere zu betören und anzulocken. Der, indes als Premier abgesetzt und ohne Position und Macht im Politbetrieb, arbeitet unablässig an seinem Comeback…

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„Loro“ beginnt mit geradezu schmerzhaft schönen Aufnahmen, die Sorrentino schon in „La Grande Bellezza“ zum Besten gab. Das Werk – bei uns als über 2.5 Stunden langer Film in den Kinos zu sehen – war ursprünglich als TV-Zweiteiler entstanden, und wurde für Festivals und die große Leinwand umgeschnitten. Das merkt man teilweise, mindert aber die Qualität des Gesehenen nur marginal. Der Beginn soll alsdann als Einführung in die bunten Traumwelten gelten, die die Berlusconi-Ära prägten, Zugang zu welchen sich allerlei findige Glücksritter in seinem Umfeld versprachen und erhofften, und die wohl einen Teil seiner schwer erklärlichen Popularität ausmachten: Jeder will sich „besonders“ fühlen, als Teil eines „großen Ganzen“, einer Gemeinschaft von „Besseren“, einer Elite – und sei diese Mitgliedschaft in dem elitären Club auch noch so teuer erkauft.

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„Loro“ schwankt – wie auch schon „La Grande Bellezza“ – zwischen Faszination und melancholischer Kritik an der dargestellten Welt, Berlusconi wird zwar als schmieriger politischer Gebrauchtwarenhändler und Verkäufer allzu romantischer Ideen und dekadenter Träume enttarnt, ohne ihn jedoch als unmenschlichen „Satan“ darzustellen; die Faszination und die Anziehungskraft des Populisten wird zumindest teilweise verständlich – weshalb dem Film auch eine gewisse politische Aktualität attestiert werden kann.

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Besonders beeindruckend sind, wie schon erwähnt, die unglaublich schönen Bilder, die ein Gefühl von endlosem Rausch und Exzess transportieren, und der dazu ideal passende Soundtrack. Tony Servillos äußere Ähnlichkeit mit Silvio Berlusconi ist zwar überschaubar, „Loro“ will aber ohnedies weniger detailgetreues Bio-Pic als vielmehr buntes, farbenprächtiges und historisches filmisches Fresko einer italienischen Epoche sein. Und das gelingt ausgezeichnet.

Fazit:

„Loro – Die Verführten“ von Paolo Sorrentino entwirft ein visuell beeindruckendes Portrait eines der prägenden Politiker der letzten Jahrzehnte, Silvio Berlusconi. Der Film behält stets eine gewisse Distanz zu seinem Protagonisten und dem Geschehen, obwohl durchaus eine gewisse Faszination für das Sujet erkennbar ist, die sich auch auf den Zuschauer überträgt. Vor allem aber ist „Loro“ ein filmisches Fest für die Sinne, ein cineastischer Rausch, der mehr als 2.5 Stunden gut zu unterhalten weiß. Sehenswert.

Bewertung:

8 von 10 Punkten

von Christian Klosz

Bilder: © Gianni Fiorito bzw. © Filmladen Filmverleih