„This is no bedtime story.“, versichert uns der Erzähler und es scheint, als wolle man uns den wahren Kern einer Sage präsentieren, die wir alle gut zu kennen glauben – England im „Mittelalter“: Der junge Adlige Robin von Loxley wird aus seinem frischen Liebesglück gerissen und als Kreuzritter zwangsrekrutiert. Als er Jahre später vom Schrecken des Krieges gebeutelt heimkehrt, muss er feststellen, dass sich die Welt um ihn verändert hat. Um in der verschobenen Rangordnung wieder einen Platz zu gewinnen, nimmt auch Robin eine neue Identität an…

Unzählige Male wurde der Stoff um den noblen Räuberhauptmann schon für die Leinwand adaptiert, allen voran sind aber wohl die Namen Errol Flynn und Kevin Costner synonym mit der legendären Rolle. Das buchstäblich jüngste Gesicht der Tradition gehört nun Taron Egerton und durch die Besetzung wird auch gleich die Hauptabsicht und Zielgruppe hinter der Neuinterpretation erkennbar.

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Regisseur Otto Bathurst macht es sich zum überaus ambitionierten Auftrag, die alte Sage für eine neue Generation zu übersetzen, beschränkt ihn in dessen Ausführung aber größtenteils auf Äußerlichkeiten. Hintergründe und Motivationen im Personenstab erfahren einige Variationen, so wird etwa die Figur von Robins arabischem Begleiter, die seinerzeit Morgan Freeman populär machte, mit dem Charakter Little John verschmolzen, der nun als Robins Mentor fungiert. Oscarpreisträger Jamie Foxx ist da eine denkbar passende Besetzung, kann der schwach gezeichneten Schlüsselrolle aber nicht viel abringen, leider nicht einmal einen überzeugenden Akzent. Der Umstand ist wohl nicht zuletzt dem ausbaufähigen Drehbuch geschuldet, das mit bausteinhaften Dialogen und schablonenartigen Motivationsreden mehr auf Phrasendrescherei denn Situationsbezug setzt und seinem Protagonisten überdies wenig Eigeninitiative zugesteht.

Wie der titelgebende Held weiß auch der Film „Robin Hood“ nicht ganz, was er sein will. Sei es historisches Abenteuer, Buddy-Movie oder gar Politthriller, keines der fragmentarisch vorhandenen Elemente ist genug ausgestaltet, um eine Klassifizierung zu ermöglichen, sodass die Adaption nicht mehr ist als die Summe ihrer Teile. Die unklare Verortung erlaubt keine Identifizierung mit dem Gesehenen und tatsächlich wird die Ambivalenz vorrangig durch das optische Design getragen. Bathursts selbstgesetzte Formel: „1/3 Vergangenheit, 1/3 Gegenwart, 1/3 Zukunft“ geht nicht auf. Kreuzritter in sandfarbenen T-Shirts kämpfen sich in Golfkrieg-Ästhetik durch das Serienfeuer eines Flak-Armbrustgeschützes. Wie Antifa-Aktivisten vermummte Minenarbeiter stellen sich molotowcocktailwerfend den Schildträgern des Sheriffs.

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Lobenswerte Allegorien, um die Zeitlosigkeit des Stoffes zu proklamieren, die in der Praxis allerdings das Gegenteil bewirken und dem Produkt einen deutlichen Stempel seiner Entstehungsepoche aufdrücken. Die Fülle der Anachronismen verfremdet den Sagenkern, ohne ihm Neues hinzuzufügen und überspannt den Bogen der Glaubwürdigkeit gehörig. Wenn sich modern frisierte Darsteller, die stets wie frisch gebadet wirken, in avantgardistischen Kostümen durch megalomanische CGI-Sets bewegen, ist man sich nicht mehr sicher, ob man sich noch im mittelalterlichen England oder schon in einer weit, weit entfernten Galaxis befindet. Da hilft es naturgemäß wenig, wenn Ben Mendelsohn als Sheriff von Nottingham exakt den selben karrieregeilen Warlord wie bei „Rogue One: A Star Wars Story“ mimt und auch hier in helle Roben gehüllt ein Kontingent schwarzbehelmter Soldaten anführt.

Fazit:

Die jüngste Adaption der Legende wirft eine bunte Masse aus Zitaten der jüngsten (Kultur)geschichte in einen historischen Deckmantel. Robin Hood bereichert sich an einem Schatz zeitgenössischer Motive und transportiert die Erzählung mit den explosiven Konventionen postmoderner Blockbuster-Ästhetik.
Erwartungsgemäß trifft der Schuss nicht ins Schwarze und reicht keineswegs an die klassischen Verarbeitungen der Sage heran. ab 10.1. im Kino

Bewertung:

2 von 10 Punkten

von Daniel Krunz

Bilder: © Studiocanal GmbH / Larry Horricks