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“Die Frau des Nobelpreisträgers” – Kritik

Bereits sieben Mal wurde Glenn Close für einen Oscar nominiert. Damit hält sie den Rekord für die Schauspielerinnen mit den meisten Nominierungen ohne eine Auszeichnung. Close strich bereits einen Golden Globe für ihre Performance in Die Frau des Nobelpreisträgers ein und setzte sich damit überraschend gegen Favoritin Lady Gaga durch. Könnte es sein, dass sie ihren Siegeszug nun bei den Oscars Ende Februar fortsetzt? Bei den darstellerischen Geschützen, die Close auffährt, wäre es durchaus denkbar.

Es ist frühester Morgen im Jahr 1992, als ein Anruf aus Schweden Joan Castleman (Glenn Close) und ihren Ehemann, den gefeierten amerikanischen Schriftsteller, Joseph Castleman (Jonathan Pryce) aus dem Schlaf reißt. Grund für den Anruf: Joseph wird der Nobelpreis für Literatur verliehen, den er in Stockholm entgegennehmen soll. Währen er die Nachricht entgegennimmt, hört Joan über den Nebenanschluss mit; als liebende Ehefrau ist sie ganz selbstverständlich jeden Schritt des Weges an seiner Seite. Sie erinnert ihren Gatten daran, seine Medikamente zu nehmen. Sie führt Smalltalk auf seinen Veranstaltungen. Sie weist ihn auf die Krümel in seinem Bart hin, scheinbar zufrieden mit der Rolle im Schatten ihres Mannes. Doch Glenn Closes ausdrucksstarkes Spiel deutet schon früh an, dass Geheimnisse an ihr nagen, die ihre Ehe nicht verlassen dürfen.

Die Frau des Nobelpreisträgers zeigt wirkungsvoll den mitunter eklatanten Mangel an Chancengleichheit, der Frauen zu Nebendarstellerinnen im Leben ihrer Männer degradiert. In Rückblenden zeigt der Film, wie Joan und Joseph einander kennenlernten und wie aus der jungen und aufstrebenden Schriftstellerin die Ehefrau eines Schriftstellers wurde. Nicht ernst genommen von Männern, die ihr eine Karriere ermöglichen könnten, und entmutigt von Frauen, die es vor ihr versucht haben, macht der Film geschlechtsbedingte Ungerechtigkeit schmerzlich bewusst und etabliert sich damit auch als aktuell.

Das Drehbuch ist jedoch klug genug, Joan nicht auf ihre Rolle als Opfer zu reduzieren. Sie ist, wie sie selbst im Film sagt, wesentlich interessanter als das. Schlechter hat es da Joseph erwischt, der mit Fortlauf der Handlung zunehmend plakativ zum Antagonisten verkommt; ein Platz, der eigentlich für den schmierigen Möchtegernbiographen Nathaniel (Christian Slater) vorgesehen sein sollte. Doch auch wenn das Drehbuch nur wenig Sympathie für Joseph erlaubt, sind die Auseinandersetzungen des Ehepaars mit einem Sinn für die emotionale Widersprüchlichkeit geschrieben, von der die Beziehung geprägt ist. Regisseur Björn Runge inszeniert sie mit Feingefühl. Subtil sind auch die alltäglichen Erniedrigungen, denen Joan ausgesetzt ist und die sie mit einem Lächeln abtut.

Und Glenn Close erstrahlt dabei in all ihrer Fulminanz. Sie ist der stärkste Aspekt des Films und hebt ihn in Höhen, die er ohne sie nie erreicht hätte. Mit etwas, was nur als wuchtige Zurückhaltung beschrieben werden kann, lässt sie, auch ohne ein Wort zu sagen, die Vielzahl an Gefühlen erahnen, die unter der selbstbeherrschten Oberfläche der gedemütigten Ehefrau brodeln. Es ist eine Freude, ihr dabei zuzusehen. Jeder Ausdruck in ihren Augen, jede noch so kleine Bewegung der Mundwinkel nutzt sie, um Joans schlummernde, doch stetig wachsende Verzweiflung zum Ausdruck zu bringen. Die anderen schauspielerischen Leistungen sind ebenfalls beeindruckend, allen voran jene von Jonathan Pryce, doch auch er verblasst neben Close, für die der Film als Showcase fungiert.

Fazit:

Bei Die Frau des Nobelpreisträgers handelt es sich um ein solides Drama, das relevante Themen aufgreift und auf kluge Weise verarbeitet. Doch wirklich großartig ist Glenn Close. Es ist ihre Performance, die dem Film Leben einhaucht und ihn zu einem emotionalen Erlebnis macht. Ab 8.2. im Kino.

Bewertung:

8 von 10 Punkten

von unserem neuen Autor Paul Kunz

Bilder: © SquareOne Entertainment / Graeme Hunter

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