Mit „Mid90s“ präsentierte Jonah Hill, bisher vor allem bekannt als Schauspieler, einen der bisher interessantesten Filme der diesjährigen Berlinale und eines der meisterwarteten Regie-Debüts des Jahres. Er selbst bezeichnete den Film mehrfach als die späte „Rückkehr zu seinen Wurzeln“, zu dem, was er eigentlich immer machen wollte und was ihm am meisten entspreche. Das Resultat ist jedenfalls ein gelungener Debüt-Film, der vor allem durch seine interessante inszenatorische Herangehensweise und die tollen Schauspieler überzeugen kann.

Stevie (beeindruckend: Sunny Suljic) ist als 13-jähriger mit allen möglichen Problemen dieses Alters konfrontiert. Eine allein stehende und überfürsorgliche Mutter und ein älterer tyrannischer Bruder machen ihm das Leben zuhause nicht gerade leichter. Eine lokale Skater-Gang mit älteren Jungs übt eine ungemeine Anziehung auf Stevie aus, der auch gerne „so cool“ wie sie wäre und irgendwo „dazugehören“ möchte. Schritt für Schritt freundet er sich mit ihnen an und verdient sich ihren Respekt, doch nicht lange dauert es, bis sich die Schattenseiten adoleszenten Übermuts offenbaren…

Schon auf den ersten Blick fallen mehrere inszenatorische Entscheidungen ins Auge, die allesamt als gelungen zu bezeichnen sind: 1. „Mid90s“ wurde auf 16mm-Film gedreht, nicht digital, was dem Film diese besondere Aura verleiht, die nur auf echtem Film festgehalten werden kann. 2. Beim Bildformat entschied man sich für das für heutige Sehgewohnheiten unübliche Verhältnis 4:3, um, so Regisseur Hill, die Direktheit der Einstellungen weiter zu verstärken, Gesichter, Gestik, Mimik der Protagonisten noch besser einfangen zu können, „ganz nah“ dran zu sein; auch hier: eine gute Wahl. 3. Der eher ungewöhnliche Einsatz von Hip-Hop-Musik passt nicht nur thematisch und atmosphärisch, sondern gibt dem Film einen besonderen „Kick“.

Hervorzuheben sind auch die tollen Performances der Jungschauspieler, großteils „von der Straße“ gecastet, selbst Skater und ohne professionelle Schauspiel-Erfahrung; der oben bereits genannte Sunny Suljic sein hier noch einmal erwähnt, er muss als wirkliche Entdeckung bezeichnet werden. Er und seine Kollegen verleihen „Mid90s“ zusätzliche Qualität und Authentizität, da man ihnen in jedem Moment abnimmt, was sie tun, was sie sagen, und wie sie das tun.


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Alles in allem ist Jonah Hill ein guter Erstling gelungen, der sowohl Hommage, als auch kritische Reflexion (der 90-er; der Skater-Kultur; männlicher Rollenbilder) ist. Stilistisch entwickelt er schon bei seinem Debüt ein ziemlich klare Handschrift, die sich durch mutige und unkonventionelle Entscheidungen manifestiert. Man darf gespannt sein, was von dem Regisseur, der ungewollt Schauspieler werden musste, um endlich Regisseur sein zu können, in Zukunft zu erwarten ist.

Rating:

73/100

von Christian Klosz

Bilder: © 2018 Jayhawker Holdings