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Berlinale 2019: “The Verdict” – Kritik

Im Rahmen der Charlotte Rampling-Hommage, die auf der Berlinale 2019 mit dem Preis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wird, gab es dankenswerterweise auch eine Wiederaufführung von Sidney Lumets “The Verdict”, ein tödlich unterschätztes Justizfilm-Kleinod aus den 80-ern, das neben Rampling einen überzeugenden Paul Newman in der Hauptrolle zu bieten hat.

“The Verdict” ist ein fesselndes Justizdrama und kam 1982 in die Kinos. Wie die meisten von Lumets Filmen beschäftigt er sich mit Themen wie Moral, Korruption, Wahrheit – und dem Kampf eines Mannes dagegen bzw. dafür. Jener Mann ist in diesem Falle Frank Galvin (Paul Newman), ein inzwischen ziemlich abgehalfterter Anwalt, der seine Zeit mehr mit ausgiebigen Barbesuchen verbringt, als mit dem Kampf “für die Gerechtigkeit”. Er bekommt von seinem Freund und „Kindermädchen“ Mickey (Jack Warden) einen Fall zugeschanzt, der ihm wieder auf die Beine helfen und sein Comeback werden soll: Durch einen Ärztefehler wurde eine junge Frau ins Koma befördert, die Familie hofft auf (finanzielle) Wiedergutmachung. Doch die Mühlen der Justiz mahlen langsam, und zermahlen langsam auch die Hoffnungen aller Beteiligten…

Lumets Ultra-Realismus zeigt die Hässlichkeit des Lebens, findet aber immer wieder Momente der “Schönheit” inmitten all der Trostlosigkeit. Deshalb ist “The Verdict” einer von Lumets leichter anzusehenden Filmen, nahezu könnte man ihn als “unterhaltsam” bezeichnen. Im Kern geht es – wie fast immer bei diesem Regisseur – um Moral und die Suche nach der Wahrheit – „und Nichts als der Wahrheit“ (wie der Untertitel der deutschen Verleihversion lautet): In schlichten, aber eindringlichen Bildern schildert der Film den verzweifelten Kampf eines Mannes gegen ein ungerechtes und gnadenloses System. Die Vorbereitung auf die Gerichtsverhandlungen könnten unterschiedlicher nicht sein: Auf der einen Seite, in feudalem Ambiente, das Aufgebot gerissener Staranwälte, das die beschuldigten Ärzte vertreten soll, auf der anderen Seite Frank Galvin in seinem abgewrackten Büro – dafür aber mit umso mehr Idealismus und Feuer, die Frank im Laufe der Geschichte wiederfindet.

“The Verdict” ist die Geschichte eines klassischen Outsiders, der von allen betrogen und hintergangen wird (auch von seiner Freundin, gespielt eben von Charlotte Rampling), der aber am Ende doch einen unwahrscheinlichen Sieg davontragen kann: Im unerbittlichen Kampf gegen die Justiz und für die Gerechtigkeit siegt doch die “Wahrheit”. “The Verdict” ist ein zu Unrecht unterschätzter Klassiker des Justizfilm-Genres, ein meisterhaftes Beispiel für filmischen Realismus des US-Kinos und „moralisches Erzählen“, schlichtweg ein sehr guter Film.

Rating:

91/100

von Christian Klosz

Bilder:
Quelle: Deutsche Kinemathek, © 1982 Twentieth Century Fox

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