Robert Zemeckis, ein Name, an dem wohl kein leidenschaftlicher Kinogänger spätestens seit Mitte der achtziger Jahre vorbei gekommen ist. Mit Filmen wie „Zurück in die Zukunft“, „Forrest Gump“ und „Cast Away“ hat er sich seinen Platz in den Annalen der Filmgeschichte bereits gesichert. Wenn ein solcher Name dann über einem neuen Projekt thront, ist es nur verständlich, wenn die Erwartungen dementsprechend hoch sind. Ob die in seinem neuesten Werk „Willkommen in Marwen“ erfüllt werden können, erfahrt ihr in unserer Kritik

von Mara Hollenstein-Tirk

Mark Hogancamp (Steve Carell) ist ein begnadeter Künstler. Während er früher noch als Illustrator tätig war, muss er sich seit jenem Abend, an dem ihn fünf Fremde beinahe zu Tode geprügelt haben, mit der Fotographie zufrieden geben. Als Ausfluss seiner Kreativität und einzigartiges Mittel zur Traumabekämpfung schuf sich Mark sein eigenes kleines Dorf namens Marwen, in dem sein Puppen-Alter Ego, mit Hilfe einiger beeindruckender Frauen, den Nazis im zweiten Weltkrieg das Leben zur Hölle macht…

Eigentlich klingt der zugrunde liegende Stoff dieses Films wie pures Erzählgold: die Geschichte eines Underdogs, der sich nach einem schweren Schicksalsschlag auf eigene und recht unkonventionelle Weise wieder nach oben kämpft. Die zusätzliche Tatsache, dass dieses Geschehen nicht aus dem Oberstübchen eines begabten Schreiberlings kam, sondern sich wirklich so zugetragen hat, stellt dann schließlich die Kirsche auf dem Sahnehäubchen dar. Wirft man dann noch Robert Zemeckis mit in den Topf, scheint das Rezept für ein ebenso rührendes wie inspirierendes Biopic komplett.

Doch leider finden sich gerade bei der Geschichte die größten Defizite. Das beginnt mit der relativ schwachen Charakterisierung der eigentlichen Hauptfigur. Der Zuschauer wird gleich zu Beginn förmlich ins Geschehen hineingeworfen: Marwen ist bereits detailverliebt im Vorgarten errichtet, Mark schon fleißig daran, Fotos zu machen und ab und an überfallen ihn heftige Panikattacken – wie es zu all dem kam, bleibt der Phantasie des Zuschauers überlassen. Doch die fehlende Aufschlüsselung der Figur des Mark Hogencamp ist nichts im Vergleich zu der kaum vorhandenen Darstellung der von Mark so hoch geschätzten Frauen in seinem Leben, die in seiner Phantasie die heimlichen Stars sind. Durch diesen Mangel an Charaktertiefe fühlen sich die im Verlauf des Films eintretenden Charakterentwicklungen weder verdient noch erarbeitet an. Alles scheint sich viel zu schnell in Wohlgefallen aufzulösen und fühlt sich auch auf einer zeitlichen Ebene überstürzt an.

Auch die Entscheidung, einige Handlungselemente aufzubauen, die am Ende vollkommen ins Leere laufen, wirkt disharmonisch und unüberlegt. Zum Glück hat der Film aber neben der überarbeitungsbedürftigen Story einige andere Stärken zu bieten. Die visuelle Umsetzung der imaginierten Abenteuer von Marks Puppen stellt zum Beispiel eines der größten Highlights von „Willkommen in Marwen“ dar. Hier wird mit viel Liebe zum Detail eine kunstvolle Welt erschaffen, die gekonnt Phantasie mit Realismus verschränkt. Auch die Schauspieler machen ihre Sache, trotz der drehbuchbedingten charakterlichen Limitierung, allesamt hervorragend, vor allem Steve Carell darf einmal mehr beweisen, dass er auch abseits von Komik hervorragend aufspielen kann.

Fazit:

Alles in allem ist „Willkommen in Marwen“ ein Film geworden, der in erster Linie durch seine schönen Bilder und seinen gelungenen Soundtrack zu überzeugen weiß, dessen eigentlich inspirierende Botschaft aber leider in einem viel zu verkorksten Drehbuch untergeht. Seit 28.3. im Kino.

Bewertung:

5 von 10 Punkten

Bilder: Universal Pictures