„Wir beide gegen den Rest der Welt“ – ein Satz, der unweigerlich mit dem Leben von Bonnie (Elizabeth Parker) und Clyde (Chestnut Barrow) verknüpft ist. Die Geschichte des Gangsterpärchens, das während der Weltwirtschaftskrise bei seinen Raubzügen insgesamt 14 Morde verübte, wurde bereits unzählige Male besungen, literarisch verpackt und auf Filmrollen aufgetragen. Selbst bis nach Bollywood hat es der Stoff geschafft, und nun springt auch das Streamingportal Netflix auf den Erfolgszug auf und bereitet die Geschehnisse in „The Highwaymen“ neu auf.

von Cliff Brockerhoff

Anders als vergleichbare Werke richtet die Eigenproduktion den Fokus aber nicht auf die Taten des Duos, sondern blickt auf die andere Seite der Medaille. Anstelle einer erneuten Glorifizierung der Verbrechen stehen die Beteiligten und Hinterbliebenen im Mittelpunkt; so wie es der Titel bereits vermuten lässt. Die „Highwaymen“, die sich am ehesten mit Texas Rangern gleichsetzen lassen, wurden angesichts der prekären Lage einst von der damaligen Gouverneurin Miriam A. Ferguson (gespielt von Kathy Bates) reaktiviert. Im Film schlüpfen die Hollywoodgrößen Kevin Costner und Woody Harrelson in Anzug und Stoffhut und leihen ebenjenen Rangern ihr Gesicht.

Aufgerollt wird die Geschichte vor allem von einer sehr persönlichen Seite. Das erste Drittel widmet sich nahezu komplett dem Leben der mittlerweile zur Ruhe gesetzten Ermittler und berichtet von ihrem inneren Zwiespalt. Auch wenn die Ausgangslage bei beiden nicht unterschiedlicher sein könnte, schaffen es der alkoholabhängige Maney Gault und der sesshafte Frank Hamer auf einen Nenner zu kommen und beginnen ihre Jagd. Diese führt die beiden durch verschiedene Bundestaaten der USA, wo Leichen ihren Weg pflastern und in ihnen das alte Feuer entfachen. Actiongeladene Szenen ergeben sich trotzdem eher selten, stattdessen ergründet der Film in allerlei Dialogen die Vergangenheit der Gesetzeshüter und zeigt eindrucksvoll, welche Belastung mit der Tätigkeit einhergeht.

Erschwert wird die Jagd dadurch, dass Bonnie und Clyde von weiten Teilen der Bevölkerung verehrt werden. Die damalige Ära der Staatsfeinde verschaffte den Kriminellen eine Art Heldenstatus, der unweigerlich dazu führte, dass es umso schwieriger wurde verlässliche Informationen zu beschaffen. Das inszenierte Katz-und-Maus Spiel weiß anfangs zu gefallen und wird immer wieder durch humorvolle Interaktionen der Protagonisten aufgelockert, gerät aber bei einer Laufzeit von über zwei Stunden im letzten Drittel zum Geduldsspiel. Thematisch passt dies zur Situation, der sich die Ranger ausgesetzt sahen, dem Vergnügen der Zuschauer ist es aber nicht zuträglich. Glücklicherweise rettet sich das Werk in eine spannende Schlussphase, die zuvorderst bei denen punkten wird, die nicht mit der Story der verliebten Gesetzlosen vertraut sind.

Weiteren Kredit sammelt „The Highwaymen“ besonders mit seinem Look. Auch wenn die Meinungen bezüglich der Entwicklung im Streamingbereich weit auseinandergehen, muss den Filmen eines zugestanden werden: Die technische Umsetzung ist größtenteils fantastisch und kann ohne Probleme mit den ganz großen Produktionen mithalten. Die Besetzung rund um Costner und Harrelson erinnert sowieso mehr an die große Leinwand als an das heimische Empfangsgerät. Gehüllt in erdfarbene und staubtrockene Bildkompositionen begleitet der Zuschauer die two-men-show, wobei sich insbesondere Harrelson in den Vordergrund spielt. Zum einen, weil seine Mimik bei weitem nicht so eingerostet zu sein scheint wie bei seinem Partner, aber vor allem weil sein Charakter mehr Tiefe erhält.

Fazit:

Wer also prinzipiell an Gangsterfilmen interessiert ist und keinen zu großen Wert auf Schusswechsel im Minutentakt legt, kann „The Highwaymen“ sorglos eine Chance geben. Bei dem Werk ist zwar nicht jeder Schuss ein Treffer, angesichts der bereits zahllose Male erzählten Story und der Lauflänge ist der Unterhaltungswert aber überraschend hoch.

Bewertung:

7 von 10 Punkten

Bilder: © Netflix