Vor über tausend Jahren wütete die Hexe Nimue, genannt „Blutkönigin“ über England und forderte einen hohen Blutzoll. Nicht ganz so lange, nämlich fünfzehn Jahre, ist es her, dass sich Guillermo del Toro der Comicfigur „Hellboy“ annahm und eine recht eigenwillige Auslegung des düsteren Stoffes inszenierte. Wie sein Spitzname verrät, entsprang der Titelheld einst den Tiefen der Hölle, verschrieb sich aber dem Kampf gegen die Mächte der Finsternis. Del Toro versah seine Interpretation mit dem Stempel eines düsteren, schmuckvollen Märchens, hielt sich aber auch bei der Fortsetzung an die Vorgaben eines PG-13 Ratings und übermalte die dunkleren Aspekte der Comics mit seinem ureigenen Stil.

Im scharfen Kontrast hierzu positioniert sich nun das Reboot von Neil Marshall, das nicht müde wird zu verlautbaren, dass es sich näher an der Vorlage orientiert, was im Vorfeld mit der Beteiligung von Hellboy-Schöpfer Mike Mignola am Drehbuch auch symbolkräftig bestätigt zu worden schien. Treue gegenüber dem Quellmaterial bedeutet in diesem Zusammenhang eine stärkere Betonung der Horrorelemente, was dem Publikum auch von Beginn an demonstriert wird. Ab der ersten Filmminute fliegen Gliedmaßen und Blutfontänen, die sich bis zuletzt wie ein buchstäblich roter Faden durch die Erzählung ziehen. Die Blutkönigin erwacht in der Gegenwart und ist daran, ihr Werk zu vollenden. Nur Hellboy ist mächtig genug, sie aufzuhalten, doch neben seinem bisher stärksten Gegner hat er auch mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen.


Hellboy (David Harbour) im mexikanischen Wrestling-Ring

Sowohl in Theorie als auch in Praxis nimmt die choreografierte Gewalt computerspielartige Züge an und es wirkt oft, als sehe man einem unsichtbaren Spieler beim Gameplay zu, der Hellboy durch verschiedene Level mit immer stärker werdenden Endgegnern steuert. Dieses stilistische ist gleichzeitig auch das größte dramaturgische Manko der Neuinterpretation. Isolierte Episoden werden dürftig von einem dünnen Plot zusammengehalten, der trotz seiner Einfachheit nie richtig in die Gänge kommt. Zu lange hält sich die Geschichte, die mit einem direkten Einstieg einsetzt, mit belanglosen Prologen auf. Die originelle Backstory des Protagonisten wird mit knappen Flashbacks abgehandelt, die aber fast jeder Nebenfigur zugestanden werden, wodurch die Hauptstory immer wieder Stillstand erlebt. Statt die Charaktere durch ihre handlungsrelevanten Aktionen zu typisieren, verlässt man sich auf Tiefenbildung mittels Hintergründe, was aber das exakte Gegenteil bewirkt und überaus eindimensionale Akteure herausbildet.

Der Umstand betrifft leider auch die Titelfigur, die zwar optisch sehr nahe an ihr gezeichnetes Gegenstück herankommt, in Sachen Charcter Development aber nicht über den Status eines aufsässigen Teenagers hinauswächst. Der trockene, schwarze Humor der Gestalt ist fast ausschließlich in Form von Onelinern repräsentiert, von denen aber auch nur wenige geschickt genug platziert sind um Lachen zu entlocken und nicht bloß lachhaft zu sein. Bei aller nötigen Objektivität kann man sich nur schwer des Vergleiches mit dem ersten Hellboy-Darsteller Ron Perlman entziehen, der die coole Raubeinigkeit des Charakters so locker aus dem Ärmel schüttelte und auch Mike Mignolas erste Wahl für die Rolle war.


Der Gruagach (Douglas Tait) ist im Kloster auf der Suche nach den Überresten der Blutkönigin.

Doch auch von den früheren Interpretationen losgelöst betrachtet, kann Neil Marshalls Hellboy-Verfilmung nicht als nachhaltiges Kinoerlebnis punkten. Der titelgebende „Call of Darkness“, die Verlockung der dunklen Seite nach einem Leben im Schatten der Menschheit sollte eigentlich den inneren Konflikt des Protagonisten widerspiegeln, der aber bestenfalls angeschnitten wird und seine volle dramatische Tragweite nicht entfaltet.

Die interessanten Konzepte der internen Mythologie verschwinden ebenso rasch, wie sie vorgestellt werden und essentielle Plot Points werden so beliebig eingeworfen, dass sich nur Gleichgültigkeit gegenüber dem Geschehen einstellt.

Positiv herauszuheben wäre allerdings die Fraktion der Bösewichte, die teilweise durch einnehmende Character-Arcs, teilweise durch kreatives Design zu begeistern und erschrecken wissen. Die Antagonistin erfährt hierbei wohl die geringste Charaktertiefe, ist mit Milla Jovovich und ihrem eiskalten Anmut aber trefflich besetzt.

Fazit:

Neil Marshalls Hellboy Reboot gibt sich alle Mühe einen Stil zu etablieren, scheitert aber an der Unausgegorenheit des Produkts. „Call of Darkness“ hat zu viel Splatter für Fantasy, zu wenig Thrill für Horror und ist nicht verrückt genug, um als eigenständige Form ernstgenommen zu werden. Was auf dem Papier funktioniert, schafft oft nicht den erfolgreichen Sprung auf die Leinwand, so erreicht auch diese Umsetzung nicht die düster-romantische Atmosphärik der Comicvorlage. Wer Hellboy nur von der Del Toro – Adaption kennt und sich von der Neuauflage ähnliches erwartet, sei entschieden vorgewarnt. Bis auf einige rare Momente ist das blutige Spektakel alles andere als stimmungsvoll, stattdessen aber laut und aufdringlich.

Wertung:

5 von 10 Punkten

von Daniel Krunz

Bilder: © 2018 Universum Film