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„The Tale“ – Kritik

Biopics, die der älteren Generation noch als „Filmbiographien“ geläufig sein dürfen, standen zuletzt wieder hoch im Kurs. Neil Armstrong, Winston Churchill oder Freddie Mercury: Die Palette ist reich an Nuancen und spielte sich in die höchsten Sphären der Filmgeschichte; vor allem bei der Oscar-Verleihung. Vergleichbare Preise wird Jennifer Fox‘ „The Tale – Die Erinnerung“ nicht erhalten. Der Fokus der US-amerikanischen Filmproduzentin liegt derweil viel mehr auf der Sensibilisierung für das heikle Thema „sexueller Missbrauch“, und nicht zuletzt auch auf der Aufarbeitung ihrer eigenen, berührenden Geschichte.

von Cliff Brockerhoff

Zunächst startet der Film gefühlvoll, fast schon harmonisch. Im frühpubertären Alter von 13 Jahren lernt Jenny zwei ihrer Auffassung nach „ganz besondere Menschen“ kennen. In ihrer Erinnerung schwärmt sie von der wunderschönen Reitlehrerin „Mrs. G“ und dem durchtrainierten Lauftrainer „Bill“, mit denen Jenny viel Zeit verbringt um dem Chaos ihres eigenen Zuhauses zu entfliehen. Plötzlich, über 30 Jahre später erhält die nun glücklich verlobte Dokumentarfilmerin einen Anruf von ihrer Mutter, der in den Unterlagen von einst eine besorgniserregende Aufzeichnung ihrer Tochter aus jener Zeit in die Hände gefallen war. Jennifer stellt Nachforschungen über ihre eigene Vergangenheit an, kratzt dabei an den fragilen Mauern ihres Bewusstseins und öffnet tiefe Wunden, derer sie sich erst jetzt bewusst wird.

Stilistisch präsentiert sich „The Tale“ dabei als Mixtur aus Spiel- und Dokumentarfilm, der fortwährend zwischen zeitlichen Ebenen springt und diese dabei miteinander interagieren lässt. Ein stringentes Narrativ fehlt; der Film erzählt sich eher selber und deckt ebenjene Geheimnisse auf, die lange Zeit verschlossen gehalten wurden. Die Schauspielerinnen der verschiedenen Altersabschnitte führen dabei Dialoge, diskutieren und ergründen eine Geschichte, die trotz ihrer Brisanz so unaufgeregt daherkommt, dass es zu gleichen Teilen erfrischend, als auch erschütternd ist. Der antiklimatische Aufbau sorgt für permanente Spannung und erinnert nicht selten an das Ablösen eines Pflasters, das sich nur langsam von der Haut entfernen lässt und dabei andauerndes Unwohlsein auslöst.

Ebenso schwierig gestaltete sich die Produktion des Films, da nur wenige Geldgeber dazu bereit waren ein Werk zu unterstützen, das sich derart explizit und ungeschönt einer solchen Thematik widmet. Und auch bei der Wahl der Schauspieler hatte Fox ihre Mühen, konnte aber letztlich mit Laura Dern, Frances Conroy oder Elizabeth Debicki allesamt bekannte Gesichter für ihren Cast gewinnen. Insbesondere Dern überzeugt dabei durch eine sehr authentische Verkörperung ihrer Rolle, bei der jede Emotion greifbar scheint und sich in Haltung und Ausdruck wiederfindet. Unterstützt wird die realitätsnahe Darstellung durch eine naturbelassene Farbgebung, einen präsenten aber niemals zu aufdringlichen Soundtrack und zumeist ruhige Kamerafahrten, die dafür sorgen, dass sich die Inszenierung stets der Stimmungslage unterordnet. Fox geht es nicht um die Zurschaustellung ihres eigenen Talents, sondern einzig und allein um die Geschichte. Auch wenn der Film nicht an qualvollen Szenen spart.

Fazit:

„The Tale – Die Erinnerung“ ist ein mutiger Film. Dies liegt aber keinesfalls an einer sonderlich innovativen stilistischen Herangehensweise, sondern vielmehr an der beherzten Art, wie der Film das altbekannte „Opfer und Täter“ – Schema durchbricht und aufzeigt, welch weitreichende Folgen traumatische Ereignisse für die Beteiligten mit sich bringen können. Der Zuschauer wird ohne Möglichkeit der Kanalisation seiner Gefühle konsterniert zurückgelassen und sieht sich der Feststellung gegenüber, dass die Konfrontation der inneren Dämonen unumgänglich ist. So sehr der Mensch auch versucht seine Psyche und seine Gedanken zu manipulieren; irgendwann kommt die Erinnerung zurück und ist in den schlimmsten Fällen ebenso schmerzhaft wie die Sichtung von Jennifer Fox Spielfilmdebüt.

Bewertung:

8 von 10 Punkten

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Bilder: © capelight pictures

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