Er gilt als der „interessanteste Regisseur der Welt“, und kehrt nun nach achtjähriger Schaffenspause mit einem Film zurück, der bei einer internationalen Kritikerumfrage im Zuge der Filmfestspiele in Cannes 2018 einen neuen Rekordwert erreichte; die Rede ist von Lee Chang-dong und seinem neuen Werk „Burning“. Der knapp zweieinhalbstündige Film erreichte einen Durchschnittswert von 3,8 von 4 Punkten, dementsprechend groß war die Empörung, als letztlich doch „Shoplifters“ die Goldene Palme von Cannes gewinnen konnte.

von Cliff Brockerhoff

Ebenso verwunderlich wie die Wahl der Jury ist die Geschichte, die „Burning“ dem Zuschauer präsentiert. Diese berichtet aus dem Leben von Jong-su, einem jungen Südkoreaner in der Blütephase seines Lebens. Als er eines Tages seine frühere Klassenkameradin Hae-mi trifft, entflammt zwischen beiden das Feuer der Liebe. Die Situation wandelt sich allerdings, als Hae-mi aus einem Urlaub zurückkehrt und ihm Ben vorstellt. Der neidgeplagte Jong-su sieht seine Chancen schwinden, entwickelt sich der wohlhabende und gutaussehende Nebenbuhler doch immer mehr zur ernstzunehmenden Konkurrenz. Als das Objekt der Begierde eines Tages spurlos verschwindet, begeben sich beide Liebesanwärter auf eine mysteriöse Suche. 

So lautet sie also, die Grundprämisse des südkoreanischen Films, der auf einer Kurzgeschichte einer Erzählsammlung basiert und ab 7.6. in den österreichischen Kinos zu sehen sein wird. Die durchweg positiven, ja geradezu ekstatischen Vorschusslorbeeren eilen dem Werk meilenweit voraus und befeuern die hohe Erwartungshaltung. Tragischerweise kann „Burning“ diese aber nur zum Teil befriedigen. 

Zu den positiven Aspekten zählen unbestritten die Inszenierung und die Leistung der Schauspieler. Nahezu jede einzelne Einstellung gleicht einem visuellen Kunstwerk, das mit den Sinnen der Zuschauer spielt und sowohl das hektische Leben in den Straßen, als auch die unberührte Natur des asiatischen Landes in Szene setzt. Alles wirkt in hohem Maße authentisch und vermittelt zu jeder Zeit das Gefühl, den Film nicht nur bloß von außen zu betrachten, sondern ein Teil der Geschichte sein zu können. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Darbietung des Ensembles rund um Steven Yeun, der vielen Serienfans aus „The Walking Dead“ bekannt sein dürfte. Obwohl keiner der Charaktere eine große Einführung erfährt, handeln alle auf ihre Art schlüssig und behalten sich doch eine gewisse Undurchdringbarkeit bei. Eben jene intendierte Distanz sorgt zum einen für die Aufrechterhaltung der Spannung, wird aber nach einer gewissen Zeit zum Bumerang.

Durch das sehr ruhige Pacing und die dialoglastige Geschichte dürstet es dem Betrachter nach Er-, beziehungsweise Auflösung. Und genau dieser Gefallen bleibt verwehrt. Lee Chang-dongs Werk bleibt bis zum Ende sperrig, um nicht zu sagen kryptisch. Das offensichtliche Geschehen lässt sich durch zahlreiche Hinweise und den Einsatz diverser Stilmittel zwar oberflächlich entwirren, was aber nun der eigentliche Punkt ist, den der Regisseur aussagen möchte, bleibt rätselhaft. Etliche Themen werden angerissen, aber nicht bis zum Ende gedacht und sorgen so dafür, dass der Film zu gewollt und gleichzeitig zu schwammig daherkommt. Für einen Thriller ist das Ganze zu ereignisarm und für ein Drama präsentiert sich „Burning“ zu kühl und reserviert. So holt er zwar diejenigen ab, die einen Film gerne als Interpretationsvorlage nutzen, vergisst aber jene, die sich nach Unterhaltung dürsten.

Fazit:

Chang-dongs neuestes Werk schafft es während der gesamten Spielzeit hinweg zu selten, über den Status des Strohfeuers hinauszukommen und ist wohl nur jenen zu empfehlen, die sich vollends und ohne Kompromisse auf einen Film einlassen können. Dann funktioniert „Burning“ und lodert wie ein Feuer unter der Netzhaut des Betrachters. Insgesamt muss aber klar konstatiert werden, dass eine Prise Geradlinigkeit durchaus nicht geschadet hätte und sich das Werk überwirft.

Bewertung:

7 von 10 Punkten