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Filmpluskritik-Filmanalyse: „Looper“ von Rian Johnson

Sie sind aus dem Science-Fiction-Genre ebenso wenig wegzudenken, wie die schweigsamen Rächer aus dem Action-Genre: Zeitreisen. Als beliebtes Thema existieren sie in der heutigen Filmlandschaft und in der Popkultur in mannigfaltigen Ausführungen. Wer nun mit den realen Konzepten hinter der theoretischen Möglichkeit einer erfolgreichen Zeitreise nicht vertraut ist, kann sich in den erzählerischen Fäden einer solchen Handlung nur allzu schnell soweit verstricken, sodass der Wald vor lauter Bäumen aus den Augen verloren wird. Um einer weiteren solchen cineastischen Verwirrung vorzubeugen, soll es in der heutigen Filmanalyse um einen Kandidaten des Science-Fiction-Genres gehen, der zwar selten erwähnt wird, anhand dessen Drehbuchs sich allerdings viele der gängigen Zeitreise-Theorien hervorragend illustrieren lassen: Die Rede ist von „Looper“ von Rian Johnson aus dem Jahr 2012.

von Mara Hollenstein- Tirk

Anders als Cliff Brockerhoff bei seiner Analyse des modernen Horrorfilms „Wir“ soll es hier weniger um die im Film verwendeten Symboliken und Metaphern gehen, obwohl eine inhaltliche Analyse natürlich auch in diesem Artikel enthalten sein wird, sondern mehr um die zahlreichen wissenschaftlichen Konzepte, welche der Film zu bieten hat. Wie in der Einleitung bereits beschrieben, soll ein Einblick ermöglicht werden, wie anhand dieser Konzepte die Handlung des Films beeinflusst werden kann und weshalb manch vermeintliche Logiklücke sich bei näherer Betrachtung in Luft auflöst.

Was ist Zeit?

Fangen wir zunächst mit einer ebenso fundamentalen wie notwendigen Frage an – was ist Zeit? Dies mag zunächst überraschend wirken, aber obwohl uns das corpus delicti quasi umgibt, ist die Zeit ein äußerst komplexes und schwer zu fassendes Phänomen. All den wissenschaftlichen Ballast aber einmal beiseite gelassen, hat sich ein ebenso beliebtes wie schlichtes Mittel zur graphischen Darstellung unserer Wahrnehmung der sogenannten vierten Dimension in den letzten Jahrzehnten etabliert: eine gerade Linie mit einem Pfeil an ihrem rechten Ende. Tatsächlich beschreibt dieses Bild, so einfach es auch erscheinen mag, sehr treffend, wie wir Menschen Zeit als unsichtbare Gegebenheit erfassen – konstant voranschreitend in Richtung Zukunft. Bereits früh müssen wir realisieren, dass an den vielen Kalendersprüchen vielleicht doch etwas dran ist, die uns immer wieder einzubläuen versuchen, dass jeder Moment kostbar ist, weil er ja nie zurückkommen wird. Wer sich nun fragt, was das alles mit dem Film zu tun hat: nun ja, bereits an diesem fundamentalen, eigentlich so logisch klingenden Konstrukt rüttelt das Drehbuch des Films – ebenso wie einige Wissenschaftler. Denn obwohl kaum jemand die Art anzweifelt, wie wir als Menschen Zeit wahrnehmen, werden sehr wohl Fragen aufgeworfen, ob Zeit überhaupt ein von unserer Wahrnehmung abhängiges Phänomen ist. Der theoretischen Möglichkeit von Zeitreisen stehen viele Physiker daher heutzutage aufgeschlossen gegenüber und entwickeln nicht nur Theorien, wie sie funktionieren könnten, sondern auch, welche Regeln und Gesetzmäßigkeiten vorherrschen müssten, sollte jemals eine Zeitreise gelingen.

„Looper“ teleportiert den Zuschauer dabei bereits von Anfang an in eine fiktive Version der Zukunft, genauer gesagt ins Jahr 2044, doch die wahre Krux des Geschehens ereignet sich erst weitere 30 Jahre in der Zukunft, da im Jahr 2074 endlich eine Möglichkeit entdeckt wird, Zeitreisen in die Vergangenheit durchzuführen. Mit den teils verängstigenden Implikationen konfrontiert, verbieten alle Regierungen weltweit den Einsatz dieser Technologie. Es gibt allerdings eine Verbrecherorganisation, welche sich die Zeitreisen zu Nutzen macht, um unliebsame Individuen für immer von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Dafür werden die Betreffenden einfach dreißig Jahre in die Vergangenheit geschickt, wo sie bereits von einem Auftragskiller, dem sogenannten „Looper“, erwartet werden. Die Anstellung eines solchen Loopers beim Syndikat endet damit, dass eines Tages sein eigenes, älteres Ich zurückgeschickt wird. Nachdem das junge Ich sich selbst erschossen hat, bekommt es eine großzügige Summe und kann forthin sein Leben genießen, bis zu jenem Tag, an dem das Syndikat an seine Tür klopft, um ihn abzuholen und in die Vergangenheit zu schicken. Wem jetzt schon der Kopf raucht, der sei beruhigt: alles wird hier Stück für Stück aufgeschlüsselt werden.

Starten wir also diese Analyse genau da, wo unser Protagonist Joseph/Joe sein älteres, in der Zeit zurückgeschicktes Ich umbringen soll. Normalerweise kommen die Delinquenten in kniender Pose, einen Sack über den Kopf gezogen und auf die Sekunde genau in der Vergangenheit an, doch diesmal ist alles anders: Joes älteres Ich (nennen wir sie der Einfachheit halber Joe jung und Joe alt) schaut ihm direkt in die Augen. Joe jung zögert daraufhin für einen Moment, was Joe alt die Möglichkeit gibt, ihn anzugreifen und außer Gefecht zu setzen. Auch wenn dies nicht die erste Szene im Film ist, nicht einmal die erste Szene im Film, die explizit zeigt, wie das mit den Zeitreisen vonstattengeht, ist es doch eine schöne Sequenz, um zu illustrieren, welches theoretische Zeitreisen-Konzept für den Film herangezogen wurde. Zu diesem Zeitpunkt im Film wissen wir nämlich eigentlich nur, dass eine Version von Joe in der Zeit zurück geschickt wurde. Dieses Wissen alleine hilft uns aber noch nicht dabei zu erkennen, welchem Konzept sich der Film denn nun unterworfen hat, beziehungsweise welche Konzepte es überhaupt gibt.

Das Großvater-Paradox

Wenn es um Zeitreisen in die Vergangenheit geht, gibt es prinzipiell zwei anerkannte Theorien, welche beide aufgrund eines schnell sichtbar gewordenen Problems, des sogenannten Großvater-Paradox, aufgestellt wurden. Das Großvater-Paradox beschreibt nichts anderes als die Frage, was geschehen würde, wenn man seinen eigenen Großvater in der Vergangenheit ermorden würde, noch bevor man selbst geboren wurde. Der Logik folgend müsste das bedeuten, dass man nie geboren wird, weshalb man nie in der Zeit zurückreisen könnte und somit seinen Großvater gar nicht töten könnte. Das erste Konzept, welches versucht, dieses Problem zu lösen, beschreibt ein selbstkonsistentes Universum. In diesem Universum ist alles bereits schon einmal genau so passiert, was bedeutet, dass man auch schon einmal in der Zeit zurück gereist ist, was wiederum bedeutet, dass man seinen Großvater gar nicht umbringen kann. Selbst wenn man es versuchen würde, müssten einem diese Versuche stets misslingen. Hier haben wir also eine Theorie, die zwar in sich schlüssig ist, für einen Film aber leider nur wenig dramatischen Zündstoff bietet. Beliebter bei Filmemachern ist daher das Konzept von Parallelwelten, oder verwenden wir doch vielleicht lieber den Begriff der alternativen Zeitlinien (da Zeit hier ja das tragende Thema darstellt). Diese Theorie besagt, dass mit der Reise in die Vergangenheit eine neue Zeitlinie erschaffen wurde, ähnlich eines Flussarms, der an einer Stelle vom Hauptstrom abzweigt und einen neuen Flusslauf erzeugt. Diese zweite Annahme ist die für uns interessante, da es jene ist, auf die sich auch die Drehbuchautoren gestützt haben. Dies wird von den Filmemachern selber sehr schön klar gestellt, indem wir den Werdegang von Joe alt etwas später im Film zu sehen bekommen und sofort deutlich wird, dass Joe alt damals sein eigenes altes Ich ohne zu zögern erschossen hatte. In dieser Tatsache spiegelt sich bereits die erste gravierende Änderung der Realität wieder: in einem Fall tötet Joe sein älteres Ich, im anderen Fall nicht. Betrachten wir nun alle folgenden Ereignisse in diesem Kontext, lösen sich bereits viele Probleme, die man vielleicht mit der Geschichte haben könnte, in Luft auf, denn da eine neue Zeitlinie erschaffen wurde, ist es ganz klar, dass diese anders abläuft, als die alte – der Film selbst adressiert dies in einer Unterhaltung zwischen Joe jung und Joe alt in einem Diner, wo Joe jung darauf hinweist, dass die Zukunft von Joe alt nicht auch die seine sein muss. Das größte Problem dürften viele allerdings mit den Veränderungen haben, die im Laufe des Films bei Joe alt auftreten.

Weshalb bekommt Joe alt Narben, wenn sich Joe jung etwas in den Arm ritzt, wieso verändern sich die Erinnerungen von Joe alt, wenn Joe jung etwas macht? Nun ja, hier hilft einem zum Glück simple Logik weiter, denn obwohl Joe alt nicht die Zukunft von Joe jung ist, ist Joe jung durchaus die Vergangenheit von Joe alt. Um dies leichter zu verstehen, muss man sich nur noch einmal das Bild von einem Fluss vor Augen halten: Während zunächst nur ein Fluss existiert und somit nur ein Joe, existieren ab dem Zeitpunkt der Ankunft von Joe alt in der Vergangenheit zwei Zeitlinien, die sich allerdings in die Zukunft bewegen. Auch dies wird im Film sehr anschaulich in derselben Diner-Szene angesprochen, als Joe alt erklärt, dass sich die neu erschaffenen Erinnerungen von Joe jung erst wirklich manifestieren, wenn er eine Handlung gesetzt hat. Dies deutet übrigens noch ein weiteres gängiges Konzept über die Zeit an, nämlich jenes, das besagt, dass alles, was noch passieren wird, bereits passiert ist. Das soll im Gegenzug aber nicht bedeuten, dass die Menschen keine Wahl mehr haben weil die Zukunft bereits festgeschrieben steht – nein, vielmehr bedeutet es, dass jede erdenkliche Wahl bereits getroffen wurde, es somit unendlich viele Zeitlinien gibt und man erst weiß auf welcher man sich befindet, wenn man sich dem beobachteten konkreten Zeitpunkt nähert. Besonders schön illustriert wird dieses Konzept in „Men in Black 3“, wo es dem Alien Griffin möglich ist, alle alternativen Variationen der Zukunft bereits zu sehen und die am wahrscheinlichsten eintretende zu ermitteln. Mit diesem geballten Wissen verändert sich nun allerdings auch die graphische Darstellung des Phänomens Zeit vom Anfang dieser Analyse erheblich, denn anstelle einer einzigen Linie, müsste es sich vielmehr um ein ganzes Geflecht aus Linien handeln, die parallel nebeneinander laufen, sich abzweigen und überschneiden.

Jenes „Looper“ zugrunde liegenden Zeitreise-Konzept ist, wie bereits erwähnt, eines, das von vielen (nicht allen) Autoren gerne herangezogen wird, wenn es darum geht, ein Drehbuch mit Zeitreiseelementen zu schreiben – prominenten Beispiele sind „Star Trek“ aus dem Jahr 2009 und „Déjà Vu“ aus dem Jahr 2006. Natürlich gibt es auch noch viele andere Filme, die sich mit dem Thema Zeitreisen beschäftigen und ihren Geschichten andere Konzepte zugrunde legen. Es sei an dieser Stelle allerdings erwähnt, dass bei weitem nicht alle Kandidaten des Zeitreise-Genres ihre Konzepte immer bis zu Ende durchdenken und oft genug auch mal über das Ziel hinausschießen.

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Ohne Geborgenheit keine Sicherheit

Inhaltlich bietet „Looper“ ein grundlegendes Thema, welches die gesamte Handlung durchzieht und von vielen Gegenständen und Gesten noch unterstrichen wird: Ohne Geborgenheit keine Sicherheit, ohne Sicherheit kein Vorankommen. Natürlich ist dies eine sehr vereinfachte und reduzierte These, allerdings eine, die sich so tatsächlich in der modernen Psychologie wiederfindet. Seit dem Aufkommen dieser noch recht jungen Wissenschaft wurde eine Sache immer deutlicher: die in unserer Kindheit gemachten Erfahrungen prägen unser Leben auf eine sehr fundamentale Weise – sehr früh erlittene Traumata können vielleicht nie wirklich überwunden werden. Geborgenheit in der Kindheit ist somit ein essentieller Bestandteil für eine „gesunde“ Entwicklung hin zu einem reifen Erwachsenen.

Genau diese Prämisse legt sich nun der Film zugrunde und beleuchtet, inwiefern der Mangel an Geborgenheit nicht nur Auswirkungen auf das eigenen Leben haben kann. Nehmen wir zum Beispiel die Hauptfigur des Films: Joseph Simmons wurde bereits in jungen Jahren zum Waisen, als er mit ansehen musste, wie seine Mutter ermordet wurde. Anschließend schloss er sich in seiner Jugend jener Organisation an, die ihn zu einem Looper ausbildete. Der Film zeigt anhand zahlreicher Szenen, Dialogzeilen und Gegenstände sehr deutlich, wie stark der frühe Verlust von Geborgenheit das Leben Joes nach wie vor bestimmt. Da wäre einmal sein Hang zu „altmodischen“ Dingen: er verwendet eine alte Taschenuhr, fährt einen Oldtimer und trägt Krawatten. All diese nostalgischen Gegenstände weisen in ihrer Gesamtheit auf einen rückwärtsgewandten Geist hin, einen Menschen, der sich die guten alten Zeiten herbeisehnt, als das Leben noch einfach war. Speziell die Krawatte, von seinem Chef einmal abfällig als „Strick“ bezeichnet, spiegelt als geradezu klassisches Symbol für den arbeitenden Familienvater den eigentlichen Wunsch Joes besonders deutlich wieder. Auch jene Szene im Bordell, als er seiner Stammprostituierten den Vorschlag unterbreitet, mit ihr aus der Stadt zu fliehen, zeugt von dem geheimen Verlangen des Auftragskillers, sich zur Ruhe zu setzen und endlich jene Familie zu haben, die ihm selber als Kind verwehrt blieb. Dass sie ihm nach der Abfuhr beruhigend durchs Haar fährt, so wie er es gerne hat, ist ein klarer Hinweis auf das noch immer in ihm schlummernde gebrochene Kind, welches sich nach Streicheleinheiten sehnt. Selbst seine Waffe und die Bedeutung, die diese für ihn hat, zeigt ganz deutlich, wie das erlittene Trauma noch immer an ihm nagt; denn der Verweis darauf, dass diese Waffe etwas ist, dass nur ihm gehört, stellt nicht nur klar, wie hart die Jahre der Entbehrungen auf der Straße als Kind gewesen sein müssen, sondern auch, wie dringend sich der verlassene Junge von damals nach Zugehörigkeit sehnte, wie wichtig es für ihn ist, dass ihn eine Vaterfigur als beachtenswert genug empfindet, um ihm ein so wertvolles Geschenk zu machen.

Doch nicht nur in der jungen Variante von Joe wird das Thema „Geborgenheit“ als Kernelement etabliert, auch die alte Variante kämpft mit dem Mangel, oder besser gesagt mit dem Verlust ebenjener. Nachdem er sich im Alter ein wunderbares Leben mit einer Frau, die ihm nach eigenen Aussagen das Leben gerettet hat, aufgebaut hat, wird diese durch die Dämonen seiner Vergangenheit getötet. Der erneute Verlust der endlich wiedergefundenen Geborgenheit und Sicherheit rechtfertigt für ihn in seiner Verzweiflung sogar Kindesmord, um das künftige Drama zu verhindern. Bedenkt man, dass der alte Joe dieselben Erfahrungen gemacht hat wie seine junge Variante, versteht man die drastische Verbissenheit seiner Handlungen noch besser.

Aber nicht nur in der Hauptfigur können wir die Grundthematik wiederfinden, auch die Mutterfigur Sara, gespielt von Emily Blunt, wird nicht nur von ihrer bewegten Vergangenheit nach wie vor tangiert, sondern versteckt sich ab und an aus Angst vor den Kräften ihres eigenen Sohnes in einem Safe. Besonders eindrucksvoll wird hier in einer kleinen Szene angedeutet, was Mütter bereit sind zu opfern, um ihren Kindern ein geborgenes zu Hause zu bieten – als sich die Figur nämlich eines Abends auf der Veranda sitzend eine imaginäre Zigarette anzündet, steht diese sinnbildlich für all die Annehmlichkeiten und Freiheiten, derer sie zum Wohle ihres Sohnes entsagt. Auch der Sohn selbst, jenes Kind, welches später einmal zum ominösen „Regenmacher“ heranwachsen sollte, ist bereits in seinen jungen Jahren eine tragische Figur. Nachdem er bei einem Unfall seine Ziehmutter getötet hat, plagen ihn Schuldgefühle, derer er, ganz kindertypisch, versucht, durch Trotz und Wutausbrüche Herr zu werden. Die späteren, reuigen Annäherung an seine Mutter zeigen, wie zwiegespalten der Charakter bereits ist, da er auf der einen Seite, aufgrund der bereits erlebten Traumata, seine Mutter, wohl auch zu deren eigenen Schutz, von sich stößt, gleichzeitig auf der anderen Seite aber auch seinen Wunsch nach Geborgenheit und Sicherheit immer wieder durchbricht.

Das Finale

Abschließend soll  noch auf zwei Szenen genauer eingegangen werden, die mehr anzudeuten scheinen, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Die erste Szene ist jene im Finale, als Joe jung realisiert, dass sein altes Ich durch seine Taten eben jene Kette von Ereignissen in Gang setzen könnte, die er zu verhindern versucht. Hier sieht er sich selbst in dem Jungen und beschreibt das Geschehen als sich immer wiederholenden Kreislauf, der unweigerlich zu demselben Ergebnis führen wird. Mit diesem Gedankengang adressieren die Drehbuchautoren eine Theorie, die besagt, dass eine Veränderung in der Vergangenheit eines Menschen vergleichbar ist mit einem Stein, der in einen Fluss geworfen wird. Ist der Stein nicht groß genug wird er zwar ein paar Wellen schlagen, den prinzipiellen Verlauf des Flusses aber nicht ändern. Das bedeutet, dass es manche Entwicklungen im Leben eines Menschen gibt, die sehr wahrscheinlich eintreten werden, solange nicht eine gravierende Veränderung eintritt. Joe jung möchte mit seiner Tat genau diesen Kreislauf, der übrigens auch als Analogie seines eigenen Lebensweges angesehen werden kann, durchbrechen. Ob ihm das mit seinem Opfer allerdings wirklich gelungen ist, bleibt in der Schwebe und der Phantasie des Zuschauers überlassen. Ebenso die Frage, was auf der Zeitlinie des alten Joe im Leben des Jungen passiert ist, denn nachdem er dort in der Zukunft anfängt, Jagd auf Looper zu machen, liegt die Vermutung nahe, dass er auch in dieser Zeitlinie keine angenehmen Erfahrungen mit den Auftragskillern gemacht hat.

Die zweite Szene ist jene, als Sara sich nach dem Finale noch einmal zu dem tot auf dem Feld liegenden jungen Joe begibt und ihm genau so durch das Haar streift, wie die Prostituierte es in einer früheren Szene des Films tat. Diese Szene ist wohl eine der unscheinbarsten und dennoch stärksten des gesamten Films, deutet sie doch so viel an, ohne auch nur eine Sache wirklich auszusprechen. Bedenkt man, dass die Figur einmal darlegt, dass sie früher bei vielen Partys zugegen war, einiges an Drogen konsumiert hat und allgemein nicht den besten Umgang pflegte, könnte man diese Szene dahingehen interpretieren, dass Sara Joe bereits aus eben dieser Zeit kennt. So wie sie ihm durch das Haar streicht wäre es sogar möglich, dass die beiden eine Affäre miteinander hatten, und dass sich die beiden lediglich aufgrund der damals konsumierten Drogen nicht mehr wiedererkennen. Spinnt man diesen Gedanken weiter, könnte Joe sogar der Vater von Cid sein, ohne es zu wissen. Es könnte aber auch sein, dass so einfach nur der Handlungsbogen anhand einer kleinen Geste versinnbildlicht wird – Joe, der am eigenen Leib erfahren musste, wie schlimm eine Kindheit ohne Eltern ist, opfert sich selbst, um einem anderen Kind ein ähnliches Schicksal zu ersparen.

Fazit: „Looper“ ist in seinem Genre eine viel zu wenig beachtetet Perle, denn dieser Film schafft es, ein in sich stimmiges Konzept von Zeitreisen zu präsentieren, das sich einerseits vorbildlich an den realen wissenschaftlichen Theorien zu dem Thema orientiert, diese andererseits aber auch logisch weiterführt. Dazu kommt eine wunderbar ausgearbeitete Geschichte mit einem emotional berührenden Grundthema, das konsequent den gesamten Film und alle Figuren durchzieht. Abgerundet wird dieser cineastische Leckerbissen schließlich durch viele kleine Szenen und Gesten, welche den Zuschauer zwangsläufig zum Nachdenken anregen.

Bilder: © Concorde

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