Mit „Der Herr der Ringe“ hat John Ronald Reuel Tolkien nicht nur einen absoluten Klassiker der Fantasy-Literatur verfasst, sondern auch eine der erfolgreichsten Romanreihen des 20. Jahrhunderts – und die Faszination seiner Geschichten scheint nicht abzureißen. Nachdem Peter Jackson mit seinen „Herr der Ringe“ – und „Hobbit“ – Trilogien bereits sechs erfolgreiche Verfilmungen des Mittelerde-Stoffs auf die Kinoleinwand brachte, ist bei Amazon nun eine Serie geplant. Bis diese erscheint, erlaubt das Biopic „Tolkien“ unter der Regie von Dome Karukoski einen Blick auf das Leben des Mannes hinter den Geschichten.

Der Film konzentriert sich auf die Jugendzeit Tolkiens (Nicholas Hoult), lange bevor er Schriftsteller wurde. Als Waisenkind aufgewachsen, findet das junge Genie mit Begeisterung für Sprachen an einer Elite-Schule in Birmingham eine Ersatzfamilie in drei seiner Schulkollegen. Gemeinsam mit diesen „Gefährten“ kann er Stunden über Stunden im Teehaus verbringen, um über Musik, Malerei und Literatur zu fachsimpeln. Um diese Zeit herum entfaltet sich auch die Beziehung zwischen Tolkien und der musikbegeisterten Edith Bratt (Lily Collins). Die Freundschaft zu seinen männlichen Kollegen und die Liebe zu Edith prägen den späteren Autor; doch beides wird geprüft, als der erste Weltkrieg England erreicht.

Immer wieder stellt der Film dar, wie sich Erfahrungen in Tolkiens Leben auf sein literarisches Werk auswirkten. Also wird die englische Hügellandschaft, die das Auenland inspirierte, als ländliches Idyll mit der Stadthölle Birminghams kontrastiert und beim Gang zu Wagners Ringzyklus wird über die Länge des Opernstoffs gescherzt. Manche dieser Momente der Inspiration erscheinen ehrlich und emotional, so etwa eine Szene, in der Tolkien und Edith darüber diskutieren, welchen Anteil die Bedeutung eines Wortes an seinem ästhetischen Wert einnimmt. Doch wenn dann an der Kriegsfront die Nazgûl übers Feld huschen und die feuerspuckenden Drachen zu Flammenwerfern werden, legt man ob derart plumper Erklärungsversuche die Stirn in tiefe Falten.
Es wirkt wie ein müder Versuch, „Herr der Ringe“ – Fans zu beglücken und den Film von anderen Vertretern seines Genres abzuheben. Denn in jeder anderen Hinsicht ist „Tolkien“ ein typisch britisches Genie-Biopic, wie man es nach Filmen wie „The Theory of Everything“ oder „The Imitation Game“ schon zigfach gesehen hat. Das macht „Tolkien“ zwar keineswegs zu einem schlechten Film. Er ist kompetent inszeniert, in schönen Bildern gefilmt und macht handwerklich wenig falsch. Bloß bietet er herzlich wenig, woran man sich auch eine Woche nach dem Kinobesuch noch erinnern könnte.
Ähnlich ist es auch bei den schauspielerischen Leistungen im Film, die sich zwar prinzipiell auf hohem Niveau bewegen, aber kaum erinnerungswürdig sind. Nicholas Hoult spielt einen absolut glaubwürdigen und sympathischen Tolkien, allerdings wünscht man ihm ein Drehbuch, das ihm erlaubt hätte, mit der Figur mehr in die Tiefe zu gehen. Worin sich Tolkiens Interesse für Sprachen begründet, bleibt beispielsweise völlig im Dunkeln. An Hoults Seite nimmt Lily Collinsals entschlossene und liebenswürdige Edith einiges an Raum ein.

Fazit
Tolkien-Fans, die diesen Film ohnehin nicht auslassen werden, erwartet mit „Tolkien“ in jeder Hinsicht passables Biopic, das zwar wenig Interessantes oder Neues zu bieten hat, aber durchaus berührende Momente vorweisen kann.Wer eine tiefgreifende Charakterstudie des Sprachgenies Tolkien samt spannender intellektueller Gespräche über Literatur und das Fantasy-Genre erwartet, der dürfte allerdings enttäuscht werden: Stattdessen erwartet einen immerhin ein gutmütiger Film über Freundschaft und Liebe. Ab 20.6. im Kino.
Bewertung
6 von 10 Punkten
Bilder: © 2019 Twentieth Century Fox