„Truth, justice and the american way“ – Über Generationen hinweg bestimmten diese Leitwerte die diversen Erscheinungsformen von Superheldenfiktion, dem wohl dominantesten Mythos der Moderne. Nun, da die Comichelden seit geraumer Zeit auch das Kino beherrschen, erfuhr das pathetische Grundkonzept bereits öfters Nuancen und Schattierungen, die bis dato radikalste Umdeutung erfolgt aber erst ganze achtzig Jahre nach dem Debüt des Prototypen Superman und stellt die Frage: Was wäre wenn ein auf der Erde gestrandeter Übermensch seine Kräfte in den Dienst des Bösen stellt, statt die Menschheit zu beschützen? Ein anregendes Gedankenexperiment, das Regisseur David Yarovesky in seinem Spielfilmdebüt „Brightburn“ durchspielt.

von Daniel Krunz

Das Ehepaar Breyer bemüht sich schon lange vergeblich um Nachwuchs, bis eines Nachts ein Lichtschweif über ihr Farmhaus in Kansas zieht und auf die Erde auftrifft. Der vermeintliche Meteorit entpuppt sich als außerirdische Raumkapsel und enthält einen Säugling. Die Breyers betrachten das Findelkind als Geschenk des Himmels, adoptieren den Jungen und nennen ihn Brandon. Ähnlichkeiten zu lebenden oder toten Fantasiefiguren sind nicht rein zufällig und klar beabsichtigt. Namen wurden geändert, die Geschichte wirkt allzu vertraut. Doch nur bis Brandon kurz vor seinem zwölften Geburtstag neue Kräfte in sich entdeckt und bescheiden gesagt verhaltensauffällig wird.

Der revolutionären „What If?“-Prämisse wird mit einem erstaunlich klassischen Zugang Rechnung getragen, der sich durch hohes Traditionsbewusstsein auszeichnet. Eine herbe Mischung aus Stilmitteln diverser Horror-Subgenres sorgt für durchgehend angespannte Atmosphäre, die aber öfter als nötig in vorhersehbare Jumpscares mündet. So wartet auch das Gesamtbild der Story mit keinen größer Überraschungen auf und verläuft relativ geradlinig nach vertrauten Motiven. Hier scheiden sich auch vermutlich die Geister, die im Vorfeld in gespannter Erwartungshaltung vereint waren.

Denn wer sich eine psychologische Auseinandersetzung mit der Ausgangslage erwartet hat, wird sich wohl gehörig vor den Kopf gestoßen fühlen. Wie die Trailer bereits nahelegten, ist Mystery zwar ein bestimmendes Element im Endprodukt, unerwartet ist aber vielleicht die Ausführung als straighter, durchaus blutiger Horror nach allen Konventionen des Genres. In dieser Hinsicht kann „Brightburn“ aber durchaus mit den Standards artverwandter Werke mithalten, versieht die seit „Das Omen“ bewährte Thematik um ein teuflisches Kind mit einem erfrischenden Twist und würfelt Elemente von Home-Invasion und Slasher, sowie deftige Gore-Einlagen mit ein.

Möglicherweise ist diese Perspektive der geeignete Zugang für eine unvoreingenommene Rezeption. Statt das Werk durch die Superheldenbrille zu betrachten, sollte der Blick darauf eher in Hinsicht auf das Genre geworfen werden, das mit „Brightburn“ einen soliden Beitrag erfährt. Die Umkehr des Superheldenmythos erfolgt weitgehend auf der Oberfläche und dient in erster Linie als Mittel zum Zweck.

Das niedrige Budget bekommt der Produktion dabei überaus gut und beschränkt den Wirkungsradius des Problemkinds auf sein engstes Umfeld. Statt gigantomanische Materialschlachten zu zelebrieren, die untrennbar mit Superheldenfilmen verbunden sind, entlädt sich die schreckliche Macht des Protagonisten auf einer sehr privaten Ebene. Unausgesprochene Hintergründe und Motive verschleiern seine Untaten ebenso wie das Dunkel der Nacht, in dem diese stattfinden und verleihen den fantastischen Phänomenen einen Hauch von nachfühlbarer Authentizität. Das rurale Kleinstadtsetting tut sein Übriges und strahlt eine zeitlose Vertrautheit aus, die an gelungenere Stephen King-Adaptionen gemahnt.

Fazit:

Innovative Prämisse, traditionelle Ausführung. Die Kehrtwende des Jungen aus Stahl schickt sich keiner Dekonstruktion des Superheldenmythos an und kommt als unprätentiöser, souveräner Genrefilm daher. Stellenweise verlässt sich „Brightburn“ dabei zu sehr auf Schreckmomente nach Blaupause, kann seine beunruhigende Atmosphäre aber nicht zuletzt Dank der überzeugenden Performances des Mutter-Sohn Gespanns durchwegs aufrecht erhalten. Am Ende des Tages bleiben genug Eckpunkte der zugrundeliegenden Heldenfigur sichtbar, um diese Horror-Spielerei frisch erscheinen zu lassen und dem Genre vielleicht sogar neue Impulse aufzuweisen.

Bewertung:

7 von 10 Punkten

Bilder: (c) Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH