Was, wenn die erfolgreichste Band aller Zeiten mitsamt ihrem musikalischen Werk in Vergessenheit geraten würde beziehungsweise gar nicht existiert hätte? Genau mit diesem Gedanken spielen Regisseur Danny Boyle und Drehbuchautor Richard Curtis in ihrem neuesten Spielfilm „Yesterday“ und imaginieren eine Welt, in der die Beatles aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht werden. Lediglich ein mittelmäßig talentierter Musiker kann sich an die Erfolgsband The Beatles erinnern, der Rest scheint sie vergessen zu haben: „Yesterday“ ist ab 11.7. in unseren Kinos zu sehen – und bietet 116 Minuten lange, pure Unterhaltung.

von Elli Leeb

Jack Malik (Himesh Patel) ist Musiker und tourt dank seiner Jugendfreundin Ellie (Lily James), die zugleich eine Art Managerin für ihn darstellt, durch England, allerdings im allerkleinsten Rahmen. Ellie ist überzeugt davon, dass in Jack ein großes Talent schlummert, seine engsten Freunde halten ihn für ganz passabel, der Rest der Welt scheint sich für seine eigens komponierten Songs nicht begeistern zu können. Und so kommt es, dass Jack nach vielen erfolglosen Jahren aufgeben will. Doch Ellie glaubt an Wunder und genauso eines ereignet sich schließlich. Ein weltweiter zwölf-Sekunden-langer Stromausfall scheint die Beatles aus den Gedächtnissen der Menschen zu löschen. Nur Jack, der genau zu dieser Zeit einen Fahrradunfall hat, kann sich noch auf magische Weise an sie erinnern. Er erholt sich bald von seinem Unfall und erkennt, dass seine Freunde ihm keinen Streich spielen wollen, sondern er wirklich der einzige zu sein scheint, der sich an diese Meilensteine der Popgeschichte erinnern kann. Jack beschließt also aus seinem Gedächtnis – womit er durchaus stellenweise Probleme hat – die kultigen Songs der Beatles aufzuschreiben und nachzuspielen. Um endlich durchzustarten und Ruhm zu erhalten, gibt er die Songs als seine eigenen aus. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten…

Dieser schräge Plot führt zu zahlreichen kuriosen sowie einfallsreichen Szenen, die den Film nie eintönig werden lassen. Obwohl „Yesterday“ auf den ersten Blick ein absurd klingendes Narrativ bedient, funktioniert der Film. Das liegt daran, dass hier zwei erfahrene Kinogrößen zusammengearbeitet haben. Als Regisseur fungierte nämlich niemand Geringerer als Danny Boyle, der vor allem für „Trainspotting“ und „Slumdog Millionär“ bekannt ist, das Drehbuch schrieb Richard Curtis, der unter anderem schon den erfolgreichen Liebesfilm „Tatsächlich… Liebe“ schrieb. So versucht Curtis auch niemals, überflüssige wissenschaftliche Erklärungen des kuriosen Phänomens zu liefern, da diese sowieso bestenfalls nur von pseudowissenschaftlicher Natur wären. Boyle wiederum setzt das Drehbuch visuell geschickt und einfallsreich um.

Aus einem minder erfolgreichen Musiker wird also quasi über Nacht ein Weltstar, und so muss sich sogar Ed Sheeran damit abfinden, dass er nicht der beste Songwriter aller Zeiten ist. Sheeran, der in der Vergangenheit für seinen Gastauftritt in der Serie „Game of Thrones“ mehr Kritik als Lob erntete, verkörpert sich in „Yesterday“ selbst und kann vor allem mit viel Selbstironie punkten. Auch die restlichen Nebenrollen überzeugen sowohl aufgrund ihrer charakterlichen Diversität als auch aufgrund der jeweiligen schauspielerischen Leistung.

Letztendlich hat Jack abseits von dem Druck, der oftmals mit dem Ruhm einhergeht, auch mit der Tatsache zu kämpfen, dass seine plötzliche Karriere auf einer Lüge aufbaut, woran er zugrunde zu gehen droht. Diesen inneren Gemütszustand bringen Boyle und Curtis gekonnt in einer Sequenz zum Ausdruck, wo er bei einem Konzert auf einem kleinen englischen Hoteldach in Strandnähe eine viel punkigere Version des Erfolgssongs „Help!“ singt. Das Publikum bejubelt ihn lautstark, während er mit seiner inneren Zerrissenheit kämpft und einen musikalischen Hilfeschrei loslässt. Dieses Szenario erinnert zudem an den letzten gemeinsamen Liveauftritt aller Mitglieder der legendären Popband auf dem Gebäude von Apple Records.

Gegen Ende des Films hat dann noch eine ganz besondere Figur ihren überraschenden Gastauftritt, der beim vorigen Handlungsverlauf nicht vorhersehbar war und der sicherlich unterschiedliche Reaktionen beim Publikum auslösen wird. Da „Yesterday“ neben dem oben geschilderten Haupthandlungsstrang in der Essenz aber eine Liebesgeschichte bietet, lautet die treffliche Moral, die ihm jene Figur mit auf dem Weg gibt – und somit auch die tragende Botschaft des Films darstellt: „All You Need Is Love“.

Fazit

Boyle und Curtis setzen mit „Yesterday“ eine absurd witzige Idee mit großen Unterhaltungswert um, die zugleich eine Hommage an die berühmteste Pilzkopf-Band aller Zeiten rund um John, Paul, George und Ringo darstellt. Eine Musikkomödie mit Feel-Good – und Ohrwurm-Faktor. So bleibt am Ende nur noch – so wie es auch schon im Film formuliert wird – zu sagen: „Eine Welt ohne die Beatles wäre eine unheimlich viel schlechtere Welt.“

Bewertung

8 von 10 Punkten

Bilder: UPI