Septem mortalibus peccatis – Die sieben Todsünden, sieben Formen menschlicher Schwäche, denen sich wahrscheinlich ein jeder von uns schon einmal hingegeben hat: Völlerei an den Weihnachtstagen, Neid auf den Nachbarn oder Trägheit am Wochenende. Banale Verhaltensformen, die sich nahtlos in unserem Alltag etabliert haben. Nach katholischem Glauben bedeutet das Begehen einer solchen Sünde die Abspaltung vom Verhältnis zu Gott, die zwingend bestraft werden muss. Doch wer übernimmt diese Strafe? Im Normalfall sollte die Antwort auf diese Frage in Richtung des Allmächtigen gehen, in David Finchers „Sieben“ ist sie eine andere.

von Cliff Brockerhoff

In dem 1995 erschienenen Thriller ist es ein regulärer Bürger, der sich von Gott berufen fühlt, dessen Werk zu verrichten. Unter dem Namen „John Doe“, der typischerweise als Platzhaltername für fiktive oder bisher nicht identifizierte Person verwendet wird, plant er innerhalb von sieben Tagen sieben Morde, die sich alle durch eine besonders perfide Art und Weise auszeichnen sollen. Ihm stets auf den Fersen sind die Ermittler Somerset und Mills, grandios gespielt von Morgan Freeman und Brad Pitt. Somerset, seines Zeichens ein erfahrener Detective, der sieben Tage vor seiner Pensionierung steht, und Mills, der eher durch seine vorlaute und von sich selbst überzeugte Art besticht, stehen vor einem großen Rätsel – und einem Wettlauf gegen die Zeit.

Die düstere Thematik präsentiert sich in einer dementsprechend tristen, beinahe nihilistischen Inszenierung von Regisseur David Fincher, die insbesondere durch kontrastreduzierte Bilder ins Auge sticht. Sämtliche Einstellungen und Schauplätze sind vornehmlich von großen Licht- oder Farbquellen befreit. Einzig der Farbton „rot“ taucht vermehrt auf – in den meisten Fällen bekommt der Zuschauer die bekannte Nuance „blutrot“ zu Gesicht. Generell kann konstatiert werden, dass die Tötungen in sehr expliziter Ausprägung dargestellt werden. Auch wenn der Zuschauer keinem der Morde aktiv beiwohnt und vieles durch gekonnte Schnittarbeit entschärft wird, gibt es doch zahlreiche Szenen, die dazu einladen, die subjektive Ekelgrenze auszutesten. Angesichts der vermittelten Themenstellung vielleicht keine zwingend notwendige, aber nachvollziehbare Herangehensweise. Akustisch untermalt wird die Szenerie von einem Soundtrack aus der Feder des Kanadiers Howard Shore, der unter anderem auch die Klangwelten der „Herr der Ringe“ Trilogie mit seinen Kompositionen veredelte.

Im Fokus stehen aber, trotz all der künstlerischen und technischen Finessen, zu jeder Zeit die Protagonisten, deren Handlungen und die Dialoge. Die Charakterentwicklung wird im Mindestmaß vorangetrieben, ist der eigentlichen Story stets zuträglich und lenkt nicht vom Geschehen ab. Nebenschauplätze gibt es so gut wie keine, einzig die Beziehung zwischen Mills und seiner Ehefrau wird ab und an thematisiert, hemmt aber weder das konstant hohe Spannungslevel, noch den Fortschritt der Geschichte.

Schauspielerisch bewegen sich alle Beteiligten auf hochklassigem Niveau, wobei die Chemie zwischen Freeman und Pitt besonders hervorgehoben werden muss. Letztgenannter legte sogar so viel Engagement an den Tag, dass er sich bei den Dreharbeiten den Arm brach. Und auch die Besetzung des Killers, die vor Erscheinen des Films extra geheim gehalten wurde, um den Zuschauer mit der Identität überraschen zu können, kann als gelungen bezeichnet werden, auch wenn sie unter Einbeziehung heutiger Erfahrungswerte einen leicht makaberen Beigeschmack hat.

Fazit

„Sieben“ taucht nicht grundlos in einer Aufzählung der besten Filme der Neunziger zumeist an forderster Front auf, ist das Werk doch eine nahezu perfekte Symbiose auf Horrorfilm und Neo-Noir Thriller, die auch heute noch ohne Probleme funktioniert. Ausgestattet mit einem überragenden Cast und einer hochwertigen Inszenierung bietet David Finchers Film Spannung ohne Atempause und einen der besten Filmtwists der jüngeren Filmgeschichte. „What’s in the fucking box?!“ – ein Filmklassiker, der jede Lobeshymne verdient hat.

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