Der neueste Film des spanischen Kult-Regisseurs Pedro Almodóvar ist sein gefühlvollster – und zugleich wohl sein persönlichstes Werk. „Leid und Herrlichkeit“ (Originaltitel: „Dolor y gloria“) ist unverkennbar von autobiografischen Elementen durchdrungen, die Almodóvar in gewohnt farbenfroher Bildsprache mit Fiktion paart. Nachdem der Film bereits bei den Filmfestspielen in Cannes gelaufen war und dort für Begeisterung sorgte, ist er nun ab 26. Juli auf den hiesigen Kinoleinwänden zu sehen.  

Im Mittelpunkt von „Leid und Herrlichkeit“ steht ein in die Jahre gekommener, ehemals erfolgreicher Regisseur namens Salvador Mallo (Antonio Banderas), der von jeglichen vorstellbaren körperlichen Beschwerden – von chronischen Rückenschmerzen über schmerzende Knie bis hin zu einem ungewöhnlichen Husten – geplagt wird. Bei diesem rein körperlichen Leid allein bleibt es allerdings nicht, hinzu kommt das unvorstellbar schwerwiegendere Leid, aus diesen Gründen keine Filme mehr machen zu können. Stattdessen verbringt er viel Zeit in seinem farbenkräftigen Appartement mitten in Mailand, das fast schon einem Museum gleicht.

Mercedes (Nora Navas) und Salvador Mallo (Antonio Banderas)

Als einer seiner alten Filme jedoch restauriert wird und im Kino gezeigt werden soll, beginnt Salvadors Reise in die Vergangenheit. Er sucht seinen ehemaligen Hauptdarsteller Alberto (Asier Etxeandia) auf, mit dem er sich bei den Dreharbeiten überwarf und seit 30 Jahren nicht mehr gesprochen hat.

Der damalige Streitpunkt, nämlich Albertos Drogenkonsum während den Dreharbeiten, scheint heute kein Problem mehr zu sein, ganz im Gegenteil: Die beiden nehmen gemeinsam eine Dosis Heroin, wobei es für Salvador trotz seines hohen Alters sein erstes Mal ist. Das nimmt ihm nicht nur seine Schmerzen, sondern versetzt ihn gedanklich auch auf eine Reise zurück in die Vergangenheit, als er noch ein kleiner Junge war. Diese Zeitebene – die den ganzen Film hindurch genauso präsent wie die Gegenwart ist – lässt ihn an seine Kindheit im Spanien der 1960er Jahre erinnern, in der vor allem seine geliebte Mutter Jacinta (Penélope Cruz) eine große Rolle in seinem Leben einnimmt. Zwar liegen zwischen den beiden Zeitebenen rund 50 Jahre, trotzdem gelingt es Almodóvar, dass der Zuseher und die Zuseherin Stück für Stück mehr von der komplexen Hauptfigur erfährt und sie so immer greifbarer wird.

Salvadors Mutter Jacinta (Penélope Cruz)

Auch in der gegenwärtigen Zeitebene trifft Salvador auf Gesichter der Vergangenheit, so eines Abends beispielsweise auf seine erste große Liebe namens Federico (Leonardo Sbaraglia). Banderas und Sbaraglia begeistern durch einen unglaublich zurückhaltenden und doch so aussagekräftigen Schauspielstil und harmonieren zudem auch einwandfrei. Die gemeinsame Vergangenheit schwingt während der gemeinsamen Gespräche stets subtil mit, wodurch man als ZuschauerIn zutiefst berührt wird. Vor allem die höchst reife – und vor allem auch schmerzvolle – Verabschiedung geht ungemein unter die Haut. Aber auch abseits der beiden weiß Regisseur Almodóvar stets, seine Schauspieler und Schauspielerinnen bemerkenswert in Szene zu setzen.

Er setzt in „Leid und Herrlichkeit“ auf gewohnt farbenfrohe und vor allem kräftige Motive, die seinen Stil so unverkennbar machen. Zudem wirken die Bilder – nicht zuletzt dank seines Kameramanns José Luis Alcaine, mit dem er bereits einige Filme gedreht hat – eindrucksvoll komponiert, sodass sie oftmals schon einem Gemälde gleichen.

„Leid und Herrlichkeit“ hat vom Anfang bis zum Ende einen ruhigen und intimen Ton. In langsamer, geduldiger Manier erzählt Almodóvar seine womöglich persönlichste Geschichte, da die Hauptfigur die eine oder andere, sehr offensichtliche Gemeinsamkeit mit ihm aufweist. Anfangs wirkt die Erzählung beziehungsweise die Selbstreflexion noch recht distanziert. Die Seherfahrung wird jedoch mit der Zeit immer intensiver. Trotz der knallbunten Bildkompositionen liegt der Fokus des spanischen Regisseurs stets auf seinen Figuren und ihren Emotionen, wodurch der Film, ohne je zu sehr ins Dramatische zu kippen, auch so emotional ist.

Fazit

Pedro Almodóvars autobiografisch geprägtes Werk ist wohl stiller als gewohnt, aber keineswegs weniger emotional. „Leid und Herrlichkeit“ ist ein tief melancholischer Film, bei dem das Leid zwar deutlich spürbarer ist als die Herrlichkeit, aber dennoch stets die leidenschaftliche Liebe und in gewisser Weise auch der Wille zum Leben im Vordergrund stehen. Die feinfühlige Inszenierung des spanischen Oscarpreisträgers sowie die eindrucksvollen Schauspielleistungen, gepaart mit den wunderschön satten Farb- und Bildkompositionen, machen den Film zu einer unendlich schönen Seherfahrung.

Bewertung

9 von 10 Punkten

Bilder: (c) Studiocanal / El Deseo 2019