Nachdem zahlreiche Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen Kevin Spacey vorgebracht wurden, hat die Karriere des zweifachen Oscarpreisträgers erheblichen Schaden erlitten. Vergangenen Freitag war der 60-jährige Schauspieler, der küzlich auch seinen Geburtstag feierte, erstmals seitdem bei einem öffentlichen Auftritt zu sehen – und einem ziemlich bizarren obendrein.

von Paul Kunz

Im Palazzo Massimo, einem Teil des römischen Nationalmuseums, kam es unerwartet zu der aufsehenerregenden Performance. Dort rezitierte Spacey vor der Bronzestatute des Faustkämpfers von Quirinal ein Gedicht des italienischen Dichters Gabriele Tinti in englischer Übersetzung. Der Auftritt wurde im Vorhinein nicht angekündigt, das Museum informierte lediglich via Facebook, dass eine Lesung stattfinden sollte. Verschiedene Quellen geben Zuschauerzahlen zwischen 50 und 150 Personen an.

Das von Spacey rezitierte Gedicht handelt von einem erschöpften Kämpfer, der zur Unterhaltung ausgenutzt und trotz seines ehemaligen Ruhms blutend zurückgelassen wird. „The more you’re wounded the greater you are“, heißt es darin. Und weiter: „They used me for their entertainment, fed on shoddy stuff. Life was over in a moment.“ Handelt es sich um eine Anspielung auf Spacey momentane Situation als vom Himmel gefallener Star-Schauspieler? Tinti gab jedenfalls an, dass das Gedicht nicht von Spaceys Biografie inspiriert gewesen sei, sondern von der Statue des Faustkämpfers. Seine Wahl fiel lediglich auf Spacey, weil er „der beste Schauspieler der Welt“ sei.

Zuletzt wurde im US-Bundesstaat Massachusetts ein Verfahren gegen Spacey überraschend fallen gelassen. Ihm wurde vorgeworfen, im Jahr 2016 einen 18-jährigen Mann in einer Bar belästigt zu haben. Dieser verweigerte jedoch die Aussagen zu einigen Nachfragen des Richters; letztlich platzte der Fall. Sechs weitere Fälle sexueller Belästigung, unter anderem in L.A. und New York werden zurzeit untersucht. Einige der Vorwürfe stammen aus Spacey Zeit als künstlerischer Leiter im Londoner Old Vic Theatre zwischen 2004 und 2015. Dort haben 20 Leute Spacey unsittliches Verhalten vorgeworfen.

Spaceys Karriereabstieg begann 2017 mit dem Vorwurf des 47-jährigen Schauspielers Anthony Rapp („Rent“, „Star Trek: Discovery“), dass Spacey den damals 14-jährigen Rapp auf einer Party sexuell belästigt habe: er habe sich auf ihn gelegt und versucht ihn zu verführen. Spacey gab an sich nicht an den Vorfall erinnern zu können und entschuldigte sich für das höchst unangebrachte Verhalten, dessen er sich in betrunkenen Zustand womöglich schuldig gemacht habe. Kritik erntete Spacey nicht nur für die gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe, sondern auch dafür, dass er den Vorfall nutzte, um sich als schwul zu outen. Rapp folgten weitere Männer nach, die behaupteten, von Spacey belästigt worden zu sein.

Die zahlreichen Vorwürfe führten zu Spaceys Rauswurf aus der Politserie „House of Cards“. Spaceys Darstellung des skrupellosen Politikers Frank Underwood wurde von der Kritik gefeiert, doch auch Mitarbeiter der Serie gaben an, Spacey habe das Set durch sein Verhalten zu einem toxischen Ort gemacht. In Ridley Scotts „All The Money In The World“ wurde Spaceys Rolle noch nach Abschluss der Dreharbeiten aus dem Film geschnitten. Er wurde nachträglich durch Christopher Plummer ersetzt.

Was bedeutet Spaceys ungewöhnlicher Auftritt? Handelt es sich womöglich um den Versuch eines Comebacks? Laut Dichter Gabriele Tinti hat Spacey zumindest das römische Publikum wieder auf seiner Seite. „Was für ein wundervoller Abend! Alle waren so glücklich die Kunst zu feiern, es war eine Ehre, dass Kevin Spacey meine Gedichte vorgetragen hat, Rom liebt dich!“, verkündete er via Twitter.