„They’re creepy and they’re kooky, mysterious and spooky…“ Die Addams Family prägte  Populär- wie Subkultur und erlebte zahlreiche mediale Inkarnationen. Der populären TV-Serie aus den 1960ern folgten mitunter zwei Zeichentrickserien, drei Spielfilme und ein Bühnenmusical. Wie heute nicht mehr allzu viele wissen, geht das Franchise aber auf einen Zeitungscartoon zurück, der ab 1938 im  „New Yorker“ erschien, benannt nach dessen Schöpfer, Charles Addams. An diesem Ursprung orientiert sich nun der erste abendfüllende Animationsfilm um die Familie mit dem morbiden Charme, zumindest was das visuelle Design betrifft.

von Daniel Krunz

In New Jersey schießt plötzlich eine bonbonfarbene Kleinstadt aus dem Boden. Verantwortlich dafür zeichnet eine Reality-TV Show, die sich der Umgestaltung des Eigenheims widmet. Nur ein dunkler Fleck noch stört das Idyll: ein gespenstisches Herrenhaus auf dem Hügel am Stadtrand, bewohnt von einer noch gespenstischeren Familie.

Wie die Synopsis erahnen lässt, konzentriert sich die Wiederentdeckung der Addams, wie die Original Fernsehserie, ganz auf das Kulturschock-Potential, das die Interaktionen der verschrobenen Familie mit der „normalen“ Außenwelt bergen und übt sich nach alter Tradition auch in der Disziplin Sozialsatire. Noch stärker als beim Klassiker resultiert daraus eine herzerwärmende, wenn auch von Anfang an klar ersichtliche Lektion über Mut zum Individualismus. Der Gruselclan wurde bereits auf verschiedene Weise interpretiert und erfährt durch die jüngste Adaption eine weitere Nuance, die Elemente früherer Verarbeitungen aufgreift und neue Impulse setzt. Unterm Strich funktioniert vor allem die visuelle Umsetzung bemerkenswert gut und übersetzt die klassische Gothic-Horror Ästhetik erfolgreich in ein dem Franchise neues Medium.

Somit verortet sich das aktuelle Familienporträt der Animationsveteranen Greg Tiernan und Conrad Vernon zwischen der leichtfüßigen Sixties- und deutlich düstereren Nineties-Version, bedacht auf einen Kompromiss und die Suche nach einem neuen Publikum. Allerdings steht das Ergebnis dadurch auch in einer tonalen Schwebe und spricht beide Zielgruppen nur teilweise an. Mit viel Liebe zum Detail zünden die zahllosen kleinen Gags um die makabren Marotten der Sippe sehr gut, kommen wohl aber eher bei reiferen ZuschauerInnen an. Gleichzeitig ist der Plot und seine überaus direkte Message offensichtlich auf die ganz junge Generation ausgerichtet. Eingefleischte Fans werden am Ende des Tages womöglich frühere Erscheinungsformen favorisieren, während sich der Nachwuchs vielleicht beim thematisch ähnlichen, insgesamt aber kindgerechteren „Hotel Transsilvanien“ besser aufgehoben fühlt.

Aus dem Kanon losgelöst betrachtet, liefert der neue Blick aber sorgsam durchgestaltete Unterhaltung, die vor allem in der ersten Hälfte mit viel Schmunzelmomenten punktet und den Geist der Addams gekonnt einfängt. Das Unternehmen verliert sich dabei zeitweise in einer Gagparade, beweist aber letztlich mehr Fokus und Aussagekraft als es die Verfilmung aus dem Jahr 1991 vermochte. Verzeiht man die kleinen Schönheitsfehler, und dies ist schließlich der Appel, den das Werk entrichtet, bleibt eine sympathisch-rührende Groteske über das Anderssein in einer konformistischen Gesellschaft stehen. Dies gelingt, da das Drehbuch glücklicherweise das wichtigste Organ der Addams-Anatomie beherzt: das Herz. Hier entspringt nämlich der  ironische Quell, der den Charme des Konzepts ausmacht, denn  trotz ihres sinistren Naturells bilden die Titelfiguren eine liebevolle Familie, die niemandem etwas Böses will, zusammengehalten von einem fürsorglichen, leidenschaftlichen Elternpaar, im Originalton recht passend von Charlize Theron und Oscar Isaac gesprochen. Mit Allison Janney gesellt sich eine weitere Oscarpreisträgerin zum Cast, der mit Namen wie Bette Midler, Chloe Grace Moretz oder Snoop Dogg als brabbelnder Cousin It, auch sonst prominent angereichert ist.

FAZIT:

Wie Gomez und Morticia, geht der erste Animationsfilm um Charles Addams Kinder sehr liebevoll mit diesen um und versucht keine waghalsige Neuinterpretation, konfrontiert die zeitlosen Figuren aber wie gehabt mit der zeitgenössischen Gesellschaft und tut alles, um ihre schräge Welt detailgenau zu zeichnen. Unvoreingenommene Freunde der Familie erleben weder böse Überraschungen noch Offenbarungen, dafür eine durchaus herzliche Zuwendung an die verrückte Verwandtschaft, die deren Sympathiewerte gut erkennt.

Bewertung:

7 von 10 Punkten

Bilder: UPI