Das Mainstream-Hollywood-Kino der letzten 3, 4 Jahre zeichnet sich durch zunehmenden Revisionismus aus: Unter Eindruck der metoo-Debatte, der woke-Bewegung und anderer, durch politische Umbrüche beförderter Ideologien steht jeder Film, der sich dem verweigert, unter Generalverdacht. Dass filmischer Anti-Mainstream durchaus qualitätsvoll und innovativ sein kann, beweisen unter anderem US-Filmemacher wie S. Craig Zahler oder die Cinestate-Produktionsfirma, dass das Pendel aber auch in die andere Richtung ausschlagen kann, und alt nicht unbedingt besser ist, beweist Roland Emmerichs zahnloses Weltkriegs-Bombast-Spektakel „Midway“: Uninspiriertes Storytelling trifft auf grauenhaftes, der Parodie nahes Schauspiel, die (ausschließlich männlichen) Charaktere zeichnen sich in erster Linie durch hölzerne Dumpfheit aus; ein filmischer Beweis dafür, dass auch ein ideologisches „Zurück in die Vergangenheit“, zu unreflektiertem Patriotismus und martialischer Kriegstümelei, keine Antwort ist auf die Fragen einer gebeutelten, gesellschaftlich und politisch zerbrechenden Nation wie die USA.

von Christian Klosz

In „Midway“ erzählt uns Roland Emmerich die wahre Geschichte von der See-Schlacht um die Midway-Inseln im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Japan und den USA im zweiten Weltkrieg. Die Temperamente der Protagonisten schwanken zwischen jugendlich-heldenhaft, tapfer-tugendhaft, martialisch-männlich und töricht-verwegen, vor allem aber zeichnen sie sich durch regenpfützentiefe Charaktertiefe aus, ausgestattet mit der emotionalen Bandbreite eines Regenwurms, weshalb die namentliche Nennung der Midway-Helden hier guten Gewissens ausfallen kann. Besetzt sind die Rollen mit durchaus bekannten, sich als Schauspieler ausgebenden Marionetten, die brav ihre Stehsätze aufsagen, wie Woody Harrelson, Patrick Wilson, Dennis Quaid, Luke Evans oder Ed Skrein. Zeitweise driftet das pathetische Overacting (vor allem bei Dennis Quaid) ab Richtung unfreiwillige Parodie, die Oberflächlichkeit des Plots, der Figuren und der Dialoge ist wirklich, wirklich beachtlich.

Die beste schauspielerische Figur macht noch Luke Evans…

Vor dem kinematografischen Totalabsturz retten „Midway“ lediglich die durchwegs gut choreografierten Schlachtszenen. Natürlich, auch hier: Bombast, Pomp und Bombardement der Sinne durch permanenten Beschuss mit Effekt-Salven aus der CGI-Kanone, doch zumindest kann man Emmerich nicht absprechen, sein Handwerk bei der Inszenierung von Action-Szenen zu beherrschen, und zeitweise kommt tatsächlich so etwas wie Ansätze von Spannung auf. Dass die Überlagerung von Inhaltslosigkeit und fehlendem Tiefgang durch Lärm und Reizüberflutung nicht unbedingt ein Qualitätskrititerium ist, ist ein anderes Thema.

Was will uns Emmerich nun mit „Midway“ sagen, warum dieser Film zu dieser Zeit? Dass die Lösung unserer Probleme (der der USA) wiederzuentdeckender Patriotismus und individueller Heldenmut sind? Dass „früher“ alles besser war, als die USA noch eine bedeutende, tapfere Nation waren, für die es sich zu sterben lohnte? Zu befürchten ist, dass man uns gar nichts sagen wollte, sondern einfach einen weiteren filmischen Beitrag zum mut- und zahnlosen Blockbuster-Kino abliefert, der sich (aus Sicht der Produzenten) hoffentlich finanziell rentieren wird. Und mehr ist zu „Midway“ auch nicht zu sagen.

„Midway“ ist ab 8.11. im Kino zu sehen.

Fazit

Hölzerne Charaktere, nichtssagende Dialoge, flacher Plot: Nur die gut choreografierten Schlacht-Sequenzen retten Roland Emmerichs neuesten Bombast-Blockbuster „Midway“ vor dem Totalabsturz. Fans von Reizüberflutung und Effekt-Overload könnten dem Film die eine oder andere gute Seite abgewinnen, allen anderen sei dringend geraten, die Finger von „Midway“ zu lassen.

Bewertung

4 von 10 Punkten

Bilder: (c) Constantin Film