Aufruhr in der österreichischen Filmszene: Der Oscar-Kandidat „Joy“, das sehenswerte Prostitutions-Drama von Sudabeh Mortezai, wurde disqualifiziert, wie gestern bekannt wurde.

Um den Preis für den besten internationalen Spielfilm dürfen sich nämlich nach den Regeln der Academy nur Werke bewerben, deren Dialoge „großteils“ nicht auf Englisch sind. Bei dem Film über die Situation nigerianischer Sexarbeiterinnen in Wien habe jedoch eine Überprüfung gezeigt, dass nur ein Drittel des Drehbuchs diese Forderung erfüllt. Das berichtet der „Hollywood Reporter“ gestern, und zitiert dabei aus der Beantwortung einer Anfrage.

Der österreichische Fachverband für Filmwirtschaft hat heute Protest angekündigt, wenngleich man sich wenig Chancen auf Einsicht bei den Oscars oder die Möglichkeit einer Nachnominierung gibt. In einem heute veröffentlichten Statement heißt es:

„Wie den Medien bereits zu entnehmen ist, hat die Academy den österreichischen Beitrag zum Foreign Language Oscar Award (Auslandsoscar) – den Film „JOY“ von Sudabeh Mortezai – mit dem Argument abgelehnt, dass der Film zu einem hohen Prozentsatz englischsprachig sei…Der für die Nominierung zuständige Fachverband der Film- und Musikwirtschaft der Wirtschaftskammer Österreich protestiert nachdrücklich aus inhaltlichen und formalen Gründen gegen diese Entscheidung.

Formal ist primär zu kritisieren, dass diese Entscheidung nun so spät getroffen wurde, dass realistisch eine Berufung nicht mehr berücksichtigt oder über Alternativen verhandelt werden kann.

Inhaltlich ist die Entscheidung unverständlich. Die österreichische Jury aus Experten von FilmproduzentInnen und Filmschaffenden hat sich bewusst für „JOY“ entschieden, weil der Film ein quasi-dokumentarisches Abbild der Lebensumstände nigerianischer Prostituierter in Wien zeichnet. In diesem Milieu werde ein Gemisch aus Deutsch, Bini und einer speziellen Form von Pidgin gesprochen, die milieutypisch ist und im Übrigen eine auf Englisch basierendes Pidgin ist, das in amerikanischen Kinos ohnehin untertitelt hätte werden müssen…“

Wenngleich die Entscheidung formal mitunter nachvollziehbar ist, ist die starre Auslegung der Regeln in diesem Fall zu kritisieren. Denn im konkreten Fall handelt es sich um die Darstellung eines lokalen Phänomens in Wien, der Film spielt großteils hier, und versucht so gut wie möglich, reale Begebenheiten abzubilden – warum hätte man den Film dann etwa auf Deutsch drehen sollen?

Fragwürdig ist auch die Poltik der Academy, englischsprachige Filme nicht für den Auslandsoscar zuzulassen. Denn was ist mit Filmen aus Australien, Kanada und vor allem aus afrikanischen Staaten? Auch dort ist Englisch weit verbreitet oder wird vorwiegend gesprochen, und weshalb sollten diese Staaten keine Filme für den Auslandsoscar nominieren dürfen?

Besonders schade ist die Disqualifikation auch deshalb, weil „Joy“ nicht nur mehrere internationale Preise gewinnen konnte, sondern auch sehr erfolgreich auf Netflix lief und sogar in den USA sehr positive Kritiken erhielt. Man hätte sich also durchaus Chancen auf eine Nominierung für die Top 5 ausrechenen können. (ck)

Die Kritik zu „Joy“ könnt ihr HIER nachlesen!