Hartnäckig hielten sich Gerüchte, dass Disney für seinen Streaming-Service Disney+ die aus heutiger Sicht problematischen Darstellungen zahlreicher Animationsklassiker zensieren würde. Letzten Endes sind die meisten Filme in ihrer Originalversion zu sehen – dafür aber mit einer Warnung.

Disney-Filme sind, wie jeder andere Film auch, Produkte ihrer Zeit – und was für die eine Person eine liebgewordene Kindheitserinnerung ist, empfinden andere Menschen heute als absolut unpassend. Als Beispiel sei eine Szene in „Peter Pan“ (1953) genannt, in der Native Americans darüber singen, warum die „Rothaut“ rot ist. Andere kontroverse Darstellungen beinhalten an Afroamerikaner erinnernde Krähen in „Dumbo“ (1941), deren Anführer Jim Crow heißt: ein rassistischer Begriff, der in den USA verwendet wurde, um den Stereotyp des singenden, tanzenden Schwarzen zu beschreiben.

Wer sich diese Filme auf Disney+ ansehen möchte, erhält nun vor Filmstart den Hinweis, dass das Programm in seiner Originalfassung gezeigt wird: „Es enthält womöglich veraltete kulturelle Darstellungen.“ Vergleichbare Warnhinweise gibt es bereits seit vielen Jahren im TV für Inhalte, die ungeeignet für ein jüngeres Publikum sind. Auch Netflix hat bereits Warnungen vor Serien wie dem Suizid-Teendrama „Tote Mädchen Lügen Nicht“ zum Einsatz gebracht. Disney setzt hier auf eine elegante Lösung, die einen reflektierten Umgang mit den Filmen als Zeitdokumenten fordert und Eltern dabei helfen soll zu entscheiden, welche Inhalte sie ihren Kindern zeigen möchten. Dies mag auch eine Reaktion Disneys auf den vielfach geäußerten Vorwurf sein, dass der Konzern die eigene Geschichte durch Auslassung kontroverser Inhalte beschönige.

Tatsächlich hat Disney bislang darauf verzichtet, rassistische Problematiken in ihren Filmen aktiv zu verhandeln und stattdessen einen möglichst großen Bogen um das Thema gemacht. In Tim Burtons „Dumbo“-Remake (2019) fehlt die umstrittene Krähenszene deshalb einfach. Anders sieht es bei der Darstellung von Geschlechter-Rollen aus, bei denen Disney unter anderem die hauseigene Remake-Flut nutzt, um das Thema und die Position des Konzerns darin zu kommentieren – egal, wie oberflächlich: im „Die Schöne und das Biest“-Remake (2017) wurden etwa Szenen hinzugefügt, in denen Protagonistin Belle einem jungen Mädchen das Lesen beibringt und die Waschmaschine erfindet.

Weitere Filme, die auf Disney+ mit einem Warnhinweis versehen wurden, sind „Susi und Strolch“ (1957) und „Fantasia“ (1940). Letzterer bildet jedoch eine Ausnahme, da es sich bei der gezeigten Fassung nicht um die ursprüngliche Kinofassung handelt. Diese beinhaltete ein schwarzes Zentaurenmädchen, das als Dienerin weißer Zentaurendamen unter anderem deren Hufe putzt. Die Figur wurde jedoch bereits in der 1969er Fassung entfernt und ist dementsprechend auch nicht auf Disney+ zu sehen.

Der Streaming-Service ist seit wenigen Tagen in den USA abrufbar. In Deutschland soll Disney+ am 31. März starten. Wann der Dienst in Österreich verfügbar sein wird, hat das Unternehmen bislang noch nicht bekanntgegeben. (von Paul Kunz)