Kaum ein Thema hat die Filmbranche die letzten Monate mehr dominiert als die „Marvel-Diskussion“: Aus einem nebenbei fallen gelassenen Kommentar in einem Interview, wo Martin Scorsese meinte, Marvel-Filme wären für ihn „kein Kino“ bzw. er könne mit ihnen wenig anfangen, wurde eine ausgewachsene Debatte darüber, was Film(kunst) heute ist, sein soll, wer das definiert, aber auch darüber, wie heute Filme gemacht und finanziert werden.

Nach der ersten Aufregung war Scorsese darum bemüht, seine Kritik zu präzisieren, er verfasste sogar einen Gastbeitrag in der New York Times zu dem Thema. Während viele Marvel-Anhänger mit Hohn und Spott, oder noch schlimmer, mit Hass reagierten („Der ist nur neidisch auf den Erfolg!“ war da noch das Netteste), hielt man sich in Hollywood auffallend zurück. Sogar Marvel-Regisseure oder Schauspieler waren sehr vorsichtig in ihrer Reaktion, da Scorsese als nahezu unantastbare Ikone in der Branche gilt. Die teils hymnischen Reaktionen auf seinen neuen Film „The Irishman“ taten ihr Übriges, die Kritik des Kult-Regisseurs konnte nicht mehr einfach als „unbedeutende Aussagen eines alten Mannes“ abgetan werden, wie das manche zu Beginn noch versucht hatten.

Nun meldete sich die oberste Instanz von Disney, CEO Bob Iger, in seiner Funktion auch für den Vertrieb von Marvel verantwortlich, zu Wort: In einem Interview mit dem Time-Magazine meinte er, die Kommentare von Scorsese (und anderen) wären „nicht fair“ gegenüber jenen, die diese Filme machen würden. Weiters hielt er der Kritik, dass Marvel keine Risiken eingehen würde, „Black Panther“ entgegen, den er in seinem künstlerischen Wert auf eine Ebene mit allen Scorsese-Filmen stellte.

Umso überraschender, dass er schließlich sagte, er versuche, ein Treffen mit Scorsese und dessen Team zu arrangieren, um den „Zustand des Kinos“ („to discuss the state of cinema“) zu diskutieren. Offenbar will sich Iger Scorseses Kritik doch aus nächster Nähe anhören, und sich Ratschläge von der Regie-Ikone holen. (ck)