Zwei flüchtige Freigeister schippern auf einem Floß durchs amerikanische Hinterland, auf der Suche nach einem Neuanfang. Das Sujet mutet nicht zufällig vertraut an und die beschwingte Abenteuerlust aus Mark Twains Erzählungen schwingt nicht nur in den oberflächlichen Bezügen zu Tom und Huck mit.
von Daniel Krunz
Zak ist zwar erst zweiundzwanzig, fristet sein Dasein aber in einem Seniorenheim. Der „Grund“: Der junge Mann hat das Down-Syndrom, keine Angehörigen, die sich um ihn kümmern und lebt auf einem ungünstigen Fleck, was die Infrastruktur von Pflegeeinrichtungen betrifft. Zak hat aber ganz andere Pläne als im Altenheim zu versauern, denn der leidenschaftliche Wrestling Fan hat sich vorgenommen, die Schule seines Idols „Salt Water Redneck“ zu besuchen und selbst ein Star des Rings zu werden. Als ihm eines Tages der Ausbruch aus der Anstalt gelingt, landet Zak im Boot des raubeinigen Fischers Tyler, der ebenfalls auf der Flucht ist. Was nun folgt, liegt auf der Hand: der Beginn einer abenteuerlichen Reise und einer wunderbaren Freundschaft.
„The Peanut Butter Falcon“ erkennt die eingangs angeschnittene Intertextualität und spricht sie auch selbst dezidiert an, erzählt aber im selben Atemzug eine ebenso originelle, wie aus dem Leben gegriffene Geschichte, wie der literarische Urahn. Die Idee zur selbigen kam zu Stande, als die Regisseure Tyler Nilson und Michael Schwartz den Hauptdarsteller Zack Gottsagen bei einem Inklusionscamp kennenlernten und er ihnen seinen Traum, ein Filmstar zu werden, offenbarte. Inspiriert von den Ambitionen des jungen Mannes verwandelten sie diese kurzerhand in ein Drehbuch und Gottsagen zu dessen Protagonisten.
Doch auch Zaks Leinwandpartner, Shia LaBeouf ist seine Rolle auf den Leib geschneidert, obwohl er für diese gar nicht die erste Wahl darstellte. Frei nach dem Motto „harte Schale, weicher Kern“ mimt der Hollywood Bad Boy den bauernschlauen Rohling mit dem Herz am rechten Fleck und überzeugt wohl auch seine schärferen Kritiker mit einer bodenständigen Performance.
Als weiterer, lebhafter Inspirationsquell dient Nilsons Heimat North Carolina, das zum Schauplatz für den Selbstfindungstrip erklärt wird. Das Ergebnis der Fusion fängt die optimistische Aura der Hoffnung denkbar gelungen ein und spannt sie um ein stimmungsvoll bebildertes Stück „Americana“, das Stationen der Heldenreise mit Motiven von Mark Twain verquickt und daneben noch Reminiszenzen zu anderen Roadmovies wie „Rain Man“ oder „O Brother, Where Art Thou“ anklingen lässt.
Dies geschieht mit größtmöglicher Einfühlsamkeit und ehrlichem Humor, der aber nie böswillig auf Kosten der vermeintlichen Schwächen des Protagonisten ausfällt. Es ist erlaubt, über seine liebenswerte Naivität zu schmunzeln, was sich aber klar von überheblichem Belächeln distanziert. Statt plump auf einen „Exoten-Bonus“ zu setzen, inszenieren die Regisseure Zak als ernstzunehmende Identifikationsfigur, die neben ihren Träumen und Ängsten eben auch das Down-Syndrom hat.
Bezeichnend für diesen Zugang ist dabei Gottsagens persönliche Einstellung, die er auch in einer von der Wirklichkeit beeinflussten Szene wiedergibt, als er seinem Begleiter nach längerer Bekanntschaft offenbart, er habe das Down-Syndrom. Dieser kleine Moment ist ebenso liebenswürdig wie aussagekräftig und spricht eine vermeintlich profane, doch noch immer nicht allerseits verinnerlichte Botschaft aus: Menschen mit Behinderung definieren sich nicht über ihre Diagnose und das sollte auch sonst niemand tun.
„The Peanut Butter Falcon“ betreibt also keineswegs übersensible Selbstzensur, sondern erzählt eine aufrichtige, wenn auch stark allegorisierte Geschichte von Freundschaft und Selbstverwirklichung. Der Fokus liegt klar auf den Qualitäten, nicht den Defiziten des Charakters, dessen schwache und wunde Punkte wiederum aus seinem gesellschaftlichen Stigma resultieren. Mit Tyler teilt er das Außenseiterschicksal und der gemeinsame Traum von Freiheit macht die Männer zu gleichberechtigten Weggefährten. Von Anfang an stimmt die Chemie zwischen den zwei Figuren, die im Laufe ihres Abenteuers so eng zusammenwachsen, bis kein Blatt Papier mehr zwischen sie passt.
Da bleibt naturgemäß wenig Spielraum für Dakota Johnson, die Zaks Pflegerin mimt, ihre vergleichsweise einfach gestrickte Rolle aber gewohnt einnehmend interpretiert.
Fazit
Es ist schwer, dieses herzerwärmende Roadmovie nicht zu mögen. Die Geschichte des Möchtegern-Ringers ringt so manche Träne der Rührung ab, brilliert aber letztlich als klassisches Motivationskino mit ausgeprägtem Feelgood Charakter. „The Peanut Butter Falcon“ ist aber mindestens genauso innovativ wie traditionsbehaftet und tut mit der Gleichbehandlung seines Protagonisten einen begrüßenswerten Schritt in Richtung Repräsentation und Inklusion. Ein wohltuender Erholungsfilm, der bei Sichtung ein permanentes Lächeln ins Gesicht zaubert.
Bewertung
8 von 10 Punkten
Bilder: (c) Tobis