Das Jahr 2019 neigt sich mit großen Schritten seinem Ende entgegen, gleichbedeutend mit dem Beginn eines neuen Jahrzehnts. Höchste Zeit für uns das Jahr aus filmischer Sicht Revue passieren zu lassen. Neben Superhelden-Fans kamen vor allem Cineasten und Arthouse-Anhänger voll auf ihre Kosten, und das schlägt sich auch in den Nennungen unserer Top15 nieder. Das System ist dabei denkbar einfach: Jeder Autor hat sein persönliches Ranking erstellt, aus dem dann alle Punkte (Platz 1 bedeuten 15 Punkte, Platz 15 bedeutet einen Punkt) addiert wurden, sodass sich daraus am Ende unsere Highlights herauskristallisierten. Einzige Voraussetzung: Der Film muss 2019 im Kino oder bei einem Streamingdienst gestartet oder als direct-to-video Veröffentlichung für das Heimkino erschienen sein. Aber genug der Erklärung – wir wünschen viel Spaß beim Lesen!

Platz 15 – The dead don’t die (14 Punkte)

„Eine herrlich abgedrehte Mischung aus Horror und Komödie, die in Kombination mit Jarmusch ganz eigener Handschrift eine Indie-Perle darstellt, die lediglich in ihren letzten Momenten mehr Mut zum Unausgesprochenen beweisen hätte können, die sich aber dennoch vor allem Fans, aber auch Liebhaber des Außergewöhnlichen, auf gar keinen Fall entgehen lassen sollten.“ (Mara Hollenstein-Tirk)

Platz 15 – The wild boys (14 Punkte)

„So unklar die Fahrwässer der filmischen Reise, so geradlinig ist die Navigation auf diesen, die eine unverkopfte Sinneserfahrung erlaubt. In einer Huldigung an die analoge Zauberkraft der goldenen Kinoära erzählt eine grazil schwebende Kamera mit geni(t)aler Symbolsprache ein (homo-)erotisch aufgeladenes Märchen zwischen Kastrationskomplex und Penisneid.“  (Daniel Krunz)

Platz 15 – Rocketman (14 Punkte)

„Dexter Fletcher schafft mit „Rocketman“ ein biografisches Musical über eine der schillerndsten Persönlichkeiten Großbritanniens und der Musikwelt, Sir Elton John. Der Film geht mit Elton Johns Homosexualität sehr offen um, zeichnet sein schillerndes Leben in der Öffentlichkeit gekonnt nach und spart dabei auch nicht die dunklen Seiten seines Lebens aus. Nicht zuletzt wegen der großartigen Darstellung Taron Egertons ist der Film so gelungen, da er dem realen Vorbild eine wahre Dreidimensionalität verleiht.“ (Elli Leeb)

Platz 14 – Beale Street (15 Punkte)

„Liebe kennt keine Grenzen – ein Sujet, so alt wie das Erzählen selbst, das wir aus unzähligen Verarbeitungen kennen: Barry Jenkins erkennt das theatralische Potential der Literaturvorlage und inszeniert die filmische Interpretation mit der Geduld eines Bühnendramas. Das Rührstück „Love Story“ ist ein Filmklassiker der wilden Siebziger, doch mit „Beale Street“ ist verspätet, doch immer noch rechtzeitig die aufrichtigere und kraftvollere Liebesgeschichte dieses Jahrzehnts erzählt worden.“ (Daniel Krunz)

Platz 13 – Leid und Herrlichkeit (18 Punkte)

„Pedro Almodóvars autobiografisch geprägtes Werk ist wohl stiller als gewohnt, aber keineswegs weniger emotional. „Leid und Herrlichkeit“ ist ein tief melancholischer Film, bei dem das Leid zwar deutlich spürbarer ist als die Herrlichkeit, aber dennoch stets die leidenschaftliche Liebe und in gewisser Weise auch der Wille zum Leben im Vordergrund stehen. Die feinfühlige Inszenierung des spanischen Oscarpreisträgers sowie die eindrucksvollen Schauspielleistungen, gepaart mit den wunderschön satten Farb- und Bildkompositionen, machen den Film zu einer unendlich schönen Seherfahrung.“ (Elli Leeb)

Platz 12 – Avengers Endgame (22 Punkte)

„Das würdige Finale einer langen Reise, welches so vieles richtig macht, dass man gerne über die kleineren Schönheitsfehler hinweg schaut. Die Verantwortlichen haben sich dabei alle Mühe gegeben einen emotional befriedigenden Abschluss zu finden, der diesen geliebten Charakteren gerecht wird, und waren in ihrem Streben mehr als erfolgreich. Also, werft all eure ausgebrüteten Theorien schnell über Bord und genießt einfach die aufwühlende Fahrt, welche Marvel euch spendieren möchte – ihr werdet es nicht bereuen!“ (Mara Hollenstein-Tirk)

Platz 10 – Le mans 66 (23 Punkte)

„Mitreißend erzähltes Drama, das im Rennsportmilieu angesiedelt ist und das dank zwei hervorragend gespielter Hauptfiguren, atemberaubender Rennsequenzen und einer bewegenden Geschichte sowohl Rennsportfans, als auch Rennsportmuffel in seinen Bann zu ziehen vermag. In diesem Kinojahr, das bisher vor allem durch Mittelmäßigkeit geprägt war, eindeutig eine Empfehlung für all jene, die sich mal wieder so richtig von einem Film begeistern lassen wollen.“ (Mara Hollenstein-Tirk)

Platz 10 – The Irishman (23 Punkte)

„Fordernd, sperrig, minimalistisch, melancholisch: Scorsese macht es einem über weite Strecken nicht leicht mit seinem „Irishman“, der sich stilistisch irgendwo zwischen „Mean Streets“, „Good Fellas“ und „Silence“ einordnet. Doch wer durchhält, wird belohnt: Mit darstellerischen Glanzpunkten und einem berührenden wie erkenntnisreichen Finale, das die Talente und die Kino-Kunst des Meisterregisseurs subsumiert. Keine leichte Kost, aber einer der Filme des Jahres.“ (Christian Klosz)

Platz 9 – Synonyms (25 Punkte)

„Regisseur Lapid setzt auf unheimlich witzige sowie absurde und auch dramatische Szenen, bei denen dennoch nie der Ernst der Thematik verloren geht. Der Film mag vermutlich nicht für jedermann geeignet sein, sobald man sich allerdings darauf einlässt, ist er ungemein interessant. „Synonyms“ lädt selbst nach dem Kinobesuch noch zur intensiven Auseinandersetzung mit Gesehenem und Gehörten ein, weswegen wir hierzulande auf einen regulären Kinostart hoffen dürfen.“ (Elli Leeb)

Platz 7 – Wir (26 Punkte)

„Jordan Peeles heiß ersehntes Zweitwerk kann den hohen Erwartungen im Wesentlichen gerecht werden. Das soziale Kommentar fällt vergleichsweise deutlich subtiler aus, als es bei „Get Out“ der Fall war, was den Erstling zum womöglich zugänglicheren Film werden lässt. Als Konsequenz lädt „Wir“ aber noch stärker zum reflektieren ein und verdient damit zweifellos das Label intelligenter Horror.“ (Daniel Krunz)

Platz 7 – Marriage Story (26 Punkte)

„Noah Baumbachs kalkulierte Dramaturgie verleiht dem Narrativ eine exzellente Authentizität, deren Inszenierung absolut zeitgemäß ist. „Marriage Story“ ist die perfekte Mischung aus Tragik und Komik, die zu keiner Zeit aufgesetzt wirkt. Ein herausragender Film über das schmerzhaft Auseinanderbrechen einer Ehe, der mit Sicherheit zu den interessantesten Filmen diese Thematik betreffend zählt.“ (Elli Leeb)

Platz 6 – Once upon a time in Hollywood (39 Punkte)

“Insgesamt ist „Once Upon A Time… In Hollywood“ ein guter Film geworden, der sich qualitativ dennoch im unteren Mittelfeld von Tarantinos neun Werken ansiedelt. Die Vorzüge sind der „entspannte“ Erzählton, die Musik, die Bilder, die nostalgische Attitüde, die aber für den Zuschauer ebenso zum kleinen Nachteil werden können – je nachdem, was man sich von einem Tarantino-Film erwartet oder wofür man den Regisseur liebt: Da der Autor dieser Zeilen Tarantinos größtes Talent in der Inszenierung schräger, verrückter und morbider Gewaltsequenzen sieht, konnte ihn sein neuester Film nicht vollends begeistern – anderen mag und soll es dabei aber durchaus anders gehen.“ (Christian Klosz)

Platz 5 – The Favourite (40 Punkte)

„Intensiv, dramatisch und über jeden Zweifel erhaben; mit „The Favourite“ vereint Yorgos Lanthimos die Stärken seiner bisherigen Arbeiten und erschafft nicht nur das zugänglichste, sondern auch das bis dato beste Werk seines Œuvre. Noch nie war eine Film-Biographie wie hier gleichermaßen authentisch und unterhaltsam und schaffte es, ein tragisches Schicksal geschichtlich korrekt einzuordnen, ohne dabei die Belange der Zuschauer außer Acht zu lassen. Jetzt schon mit zahlreichen Preisen ausgestattet dürfte es nicht verwundern, wenn „The Favourite“ auch als Favorit bei den Oscars ins Rennen geht.“ (Cliff Brockerhoff)

Platz 4 – Der Leuchtturm (47 Punkte)

„Bewegt sich „Der Leuchtturm“ zu Anfang noch in ruhigem Fahrwasser, brandet in der zweiten Hälfte ein tosender Sturm auf, der selbst die hartnäckigsten Zweifler unter sich begraben wird. Eggers Werk ist genau das geworden, was der Trailer suggeriert hatte und sollte ohne Mühe dafür sorgen, dass der Stern des US-Amerikaners zeitnah heller erstrahlen wird als jeder Leuchtturm es zu leisten im Stande wäre. Atmosphärisch, kryptisch, intensiv – hier verwachsen bewährte Elemente mit neuen Stärken zu einem Gebräu, das den gestreckten Rum, mit denen die Wärter ihre trockenen Kehlen geölt hatten, letztlich wie zuckerfreie Limonade erscheinen lässt. Der helle (dunkle) Wahnsinn!“ (Cliff Brockerhoff)

Platz 3 – Green Book (49 Punkte)

„Green Book ist einer der ersten, großen Filme des Jahres: Bewegend, berührend, unterhaltsam, kurzweilig, und mit einer wichtigen Botschaft von Respekt, Humanismus und wahrer Freundschaft ausgestattet, überzeugt der Film von Peter Farelly auf ganzer Linie. Ein gutes Drehbuch, eine gekonnte Inszenierung, ein toller Soundtrack und überragende Darstellerleistungen machen den Film zu einem wahren Kinoerlebnis, das man nicht missen sollte.“ (Christian Klosz)

Platz 2 – Joker (69 Punkte)

„Alles in allem ist „Joker“ keineswegs die x-te typische Comicverfilmung, sondern ein waschechtes Arthouse-Drama, dessen Protagonist eine äußerst komplexe, vielschichtige und auch tragische Figur ist, die ihre Wurzeln in der Welt der bebilderten Geschichten hat. So schafft es der Film, Comicfans, Gelegenheitskinobesucher und Arthouse-Enthusiasten gleichermaßen aus ihrer Komfortzone zu locken und verlangt von ihnen, sich einem Film zu öffnen, der vereint, was für viele unvereinbar schien.“ (Mara Hollenstein-Tirk)

Platz 1 – Parasite (74 Punkte)

„Eigentlich sollten extravagante Genremischungen im Jahre 2019 keinen Filmfan mehr wirklich überraschen können; die schwindelerregende Höhe, in die sich „Parasite“ spielt, darf allerdings ohne Zweifel als Paukenschlag tituliert werden. Unglaublich lustig, postwendend bitterernst und zu jedem Zeitpunkt Herr der Lage – dieser Film wird zu Recht als eines der Highlights des Jahres angepriesen, bietet zwanglose Unterhaltung und liefert zudem eloquente Denkanstöße in angenehm dezentem Maße. Unsere Empfehlung: Nistet euch in einem Kino eurer Wahl ein und genießt diesen brillanten Ausflug in die Speerspitze asiatischer Filmkunst.“ (Cliff Brockerhoff)