Roman Polanski klagt an“: Dieser Satz reicht für viele offenbar schon aus, um ein erhöhtes Erregungslevel hervorzurufen und sie zu dem Schluss zu bewegen, der bekannte Regisseur wolle mit seinem neuen Film „J’accuse“, der bei uns unter dem Titel „Intrige“ in die Kinos kommt, seine Verfehlungen der Vergangenheit rechtfertigen oder sich „reinwaschen“. Wer das behauptet, hat den Film entweder nicht gesehen, oder mit Vorsatz missverstanden: Die ganze Aufregung ist umsonst, „Intrige“ ist ein solides Alterwerk geworden, ein in tristen Farben gezeichnetes Historiendrama, das, basierend auf der Vorlage von Robert Harris, vom Widerstand eines Mannes gegen ein von antisemitischen Vorurteilen vergiftetes politisches System berichtet.

von Christian Klosz

Der Film beginnt mit der sprichwörtlichen und tatsächlichen Degradierung des jüdischen Offiziers Alfred Dreyfus im Jahre 1895: Öffentlich werden ihm Orden, Säbel und Würde genommen, er wird des Hochverrats bezichtigt, und lebenslang auf die Teufelsinsel im Atlantik verbannt. Marie-Georges Picquart (Jean Dujardin) ist auch Zeuge dieser Entehrung und wie fast alle von der Schuld Dreyfus‘ überzeugt. Als er kurz darauf zum Geheimdienstchef befördert wird, hat er Zugang zu den Dokumenten, die den angeblichen Verrat belegen sollen – ihm fallen erste Ungereimtheiten auf: Es wirkt so, als hätte die Militär- und Politbürokratie alles daran gesetzt, Dreyfus so schnell wie möglich zu entfernen, um die Affäre unter den Tisch zu kehren, und von eigenem Versagen abzulenken.

J accuse Intrige Polanski Film
Picquart (links) und Dreyfus in Roman Polanskis „Intrige“

Picquart, ein zwar tadelloser Soldat, aber auch ein Mann unumstößlicher Prinzipien, beginnt zu recherchieren, und findet Beweise für die Unschuld Dreyfus‘ und die Schuld eines anderen, nur: Seine Vorgesetzten wollen davon nichts wissen, und so wird Picquart selbst zum Abtrünnigen und Beschuldigten, der es dennoch mit dem mächtigen Politapperat aufnimmt.

„J’accuse – Intrige“ basiert auf wahren Begebenheiten und erzählt von einem der größten Skandale der französischen Republik, die in Emile Zolas Anklage in einer französischen Zeitung gipfelte, bei der er sich unter dem Titel „J’accuse“ mit der gesamten politischen Führungsriege des Landes anlegte. Ins Rollen gebracht hatte die Affäre die Prinzipientreue eines Mannes, Picquarts, der trotz Gegendruck standhaft blieb. Insofern ist „Intrige“ hochaktuell: Die USA suchen immer noch nach einer integren Figur, die sich dem autoritären System Trump entgegenstellt, das Ende der letzten Regierung Österreichs kam ähnlich zustande, aktuelle politische Auseinandersetzungen hierzulande (Angriffe auf die Justiz) zeugen ebenfalls von fehlenden moralischen Grundsätzen der Mächtigen, zeigen, dass jedes System korruptionsanfällig ist, und dass Macht korrumpiert.

Ein zeitloses Thema also, das Polanski in trister Ästhetik und trüben Farben schildert. Seinen filmischen Ausführungen wohnt stets eine gewisse „Schwere“ inne, der Film wirkt bezeiten bleiern, wird aber dennoch nie uninteressant. Großes Lob gebührt Alexandre Desplat für seinen minimalistischen, aber höchst wirkungsvollen Soundtrack.

Fazit

„J’accuse“ ist sperriger und weniger unterhaltsam als viele andere Werke Polanskis, er wirkt wie ein aus der Zeit gefallenes Dokument politischen Versagens, ein filmisches Traktat über Moral, Macht, Vernunft und Korruption, das einen nachdrücklichen Appell an die „vierte Macht im Staat“, die Medien, und an das (politische) Gewissen jedes Einzelnen enthält. Durchaus sehenswert und höchst relevant, aber auch nicht der ganz große Wurf, den die Prämierung in Venedig erwarten lässt. Ab 7.2. im Kino.

Bewertung:

8 von 10 Punkten

Bilder: (c) Guy Ferrandis