Das Thema des Holocausts wurde bereits unzählige Male auf unterschiedlichste Weise in Filmen behandelt und aufgearbeitet. „Persian Lessons“, zu Deutsch „Persischstunden“, liefert dennoch einen eigenen und nicht minder interessanten Blick auf den zweiten Weltkrieg. Vadim Perelmans satirisches Weltkriegsdrama lief im Rahmen der Berlinale in der Sektion Berlinale Special und ist ein Film über das Überleben, den Erfinderreichtum und nicht zuletzt über die Macht der Sprache und die Kraft der Erinnerung.

von Elli Leeb

Der junge Belgier Gilles (Nahuel Pérez Biscayart) sitzt im Zug auf dem Weg zur Deportation ins Konzentrationslager, als er sein letztes Stück Brot mit einem anderen Juden gegen ein Buch tauscht, das in Farsi verfasst wurde und dessen Inhalt er deshalb sowieso nicht versteht. Doch genau jenes persische Buch rettet Gilles wenige Minuten später das Leben: Er gibt sich als Perser namens Reza aus – wobei das Buch mehr oder minder als Beweis für die vorgebliche Herkunft fungiert – woraufhin die deutsche Truppe ihn verschont. Der Hauptsturmführer des nahen Lagers sucht nämlich zufällig gerade einen Perser und hat sogar 10 Fleischdosen als Entlohnung ausgeschrieben für denjenigen, der ihm einen Perser bringt.

Persischstunden Bild

Hauptsturmführer Klaus Koch (Lars Eidinger) möchte nämlich nach dem Krieg ein deutsches Restaurant in Teheran eröffnen und sucht deshalb einen Menschen, der Farsi spricht und ihm die Sprache beibringen kann. Wörter zu erfinden ist eine Sache, sich diese jedoch auch noch selbst zu merken, eine andere. Reza entwickelt mithilfe eines Tricks, bei dem er aus den Namen der Gefangenen Wörter abwandelt, eine neue Sprache und gibt diese als Farsi aus. Das geht im Laufe des Films sogar so weit, dass sich die beiden Protagonisten tatsächlich in dieser Sprache unterhalten.

So absurd diese Prämisse auch klingen mag, beruht sie dennoch auf einer wahren – von Wolfgang Kohlhaase ausformulierten – Geschichte. Der Film wird von äußerst humoristischen Dialogen zwischen Lehrer und Schüler beziehungsweise zwischen Peiniger und Opfer dominiert. Perelmans vermenschlicht seine Figuren in gewisser Weise, ohne ihre Taten jedoch jemals zu relativieren. So gelingt es dem Regisseur trotz witziger Herangehensweise an das Thema, das Holocaust-Drama nie ins Lächerliche zu ziehen, sondern eine ausgewogene Balance zwischen Humor und Ernsthaftigkeit zu wahren.

Hinzu kommt eine hervorragend überzeugende Schauspielleistung des ganzen Casts, allen voran Nahuel Pérez Biscayart und Lars Eidinger. Letzterer sprach auf der Pressekonferenz des Films im Rahmen der 70. Berliner Filmfestspiele mit gebrochener Stimme und Tränen in den Augen von unserer durch Hass und Missgunst vergifteten Gesellschaft. „Persischstunden“ verdeutlicht beziehungsweise erinnert daran, dass sich die Geschichte jederzeit wiederholen kann.

Persischstunden Berlinale Film Lars Eidinger

Fazit

Vadim Perelmans „Persischstunden“ ist ein Film über die Kraft des Erinnerns, der Sprache und über das Überleben zur Zeit des zweiten Weltkriegs. Beruhend auf wahren Begebenheiten erzählt er auf humoristische Weise – ohne dabei jemals das ernste Sujet ins Lächerliche zu ziehen – die unglaubliche Geschichte eines jungen Juden, der sich als Perser ausgibt und mithilfe einer eigens erfundenen Sprache knapp dem Holocaust entgeht. Kombiniert mit der hohen Schauspielkunst, die der Cast darbringt, ist „Persischstunden“ ein unglaublich sehenswerter Film, und ein Highlight der Berlinale 2020.

Rating

92/100

Bilder: © HYPE FILM