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„Sorry we missed you“ – Kritik zum Kinostart

Ken Loach ist ein Pionier, wenn es um den sozialkritischen Film geht. Der britische Regisseur, der bereits für sein Lebenswerk und mehrfach für seinen letzten Film „Ich, Daniel Blake“ ausgezeichnet wurde, zeigt in seinem neuen Film „Sorry We Missed You“, wie schonungslos die kapitalistische Arbeitsweilt sein kann. Das aufrüttelnde Sozialdrama startet hierzulande am 28. Februar in den Kinos.

von Elli Leeb

„Sorry We Missed You“ zeigt, was es heißt, täglich ums Überleben kämpfen zu müssen: Ricky (Kris Hitchen) und Abby (Debbie Honeywood) leben in Newcastle im Norden Englands, haben zwei gemeinsame Kinder und hetzen sich tagtäglich von Auftrag zu Auftrag, um Rechnungen bezahlen zu können. Ricky hatte schon jeden erdenklichen Gelegenheitsjob, egal ob am Bau, Straßen pflastern oder als Totengräber am Friedhof. Abby hat einen klassischen Null-Stunden-Vertrag als Altenpflegerin, erhält also den Mindestlohn und das auch nur für die Zeit, in der sie tatsächlich die Klienten und Klientinnen betreut. Jede weitere Minute, die sie sich aus Mitgefühl für ein Gespräch Zeit nimmt, gilt somit als Freizeit. Als sich dann Ricky als Paketzusteller selbstständig machen will – selbstständig ist er allerdings nur am Papier – muss die Familie Abbys Auto verkaufen, um den Transporter finanzieren zu können.

Hausbesuche erledigt Abby nun mit dem Bus, dessen Ticket sie natürlich selbst bezahlen muss. Ricky hingegen wird fortan nach Schnelligkeit und Schwierigkeit der Route bezahlt, im Transporter führt er stets eine Flasche mit sich, da die Zeit meist nicht einmal für eine Toilettenpause reicht. Trotz 14-Stunden Schichten beider Elternteile kommt die Familie nicht über die Runden. Und auch wenn die beiden herzensgut sind und ihr Bestes geben, um für ihre Kinder zu sorgen, nimmt abends die Überarbeitung, der Stress, die Belastung und der permanente Zeitdruck überhand und so bleiben die familiären Zusammenstöße nicht aus.

Die Familie steht beispielhaft für Millionen andere, denen es genauso ergeht. Ken Loach fordert mit seinem Filmen immer wieder soziale Gerechtigkeit ein und dies könnte nicht deutlicher ausfallen, als es das in „Sorry We Missed You“ tut. Der Film beginnt gemächlich, Loach nimmt sich Zeit, seine Figuren vorzustellen. Seine gewohnt naturalistische Erzählweise macht seine Protagonisten noch viel zugänglicher. Der Film beschleunigt während seiner Laufzeit und so wird die unmenschliche kapitalistische Arbeitswelt bis ins Unerträgliche spürbar. Ken Loach und Paul Laverty – der das Drehbuch schrieb – setzten bei der Besetzung bewusst auf unbekannte Schauspieler und Schauspielerinnen, um besser zeigen zu können, welche Auswirkungen das System auf jegliche Familie haben kann. Während die Protagonisten immer mehr in ihr Unheil gezogen werden, schaut das Publikum machtlos – und auch wütend – zu. Also eigentlich genau so, wie dies in der Realität geschieht – nur wird es einem hier besonders schonungslos vor Augen geführt.

Fazit

Der bereits 83-jährige Ken Loach zeigt in „Sorry We Missed You“ deutlich, wie unmenschlich die kapitalistische Arbeitswelt in bestimmten Sektoren funktioniert und dekuvriert dessen Folgen. Während sich der finanzielle Druck der Familie zusehends von Tag zu Tag steigert, baut sich auch die Wut der Zuseher und Zuseherin auf das System fortwährend auf. 100 Minuten lang gewährt der Film tiefe Einblicke in die harte Welt der Paketzusteller und das Laster eines Null-Stunden-Vertrages auf eine überaus glaubwürdige, bedrückende Weise und fordert dabei zum Nachdenken auf. Aufgrund seines deprimierenden Themas ist „Sorry We Missed You“ nicht unbedingt ein Film, den man spätabends zur Erheiterung schauen sollte, allerdings ist er gesellschaftspolitisch ein sehr wichtiger Film. Im Anschluss wird wohl keiner mehr ohne Gewissensbisse Pakete im Internet bestellen können.

Bewertung

7 von 10 Punkten

Bilder: © Filmladen Filmverleih

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