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„Der Taucher“ – Kritik

„2018 war Österreich das Land mit den prozentuell meisten Frauenmorden in der EU. Opfer und Täter kamen aus allen Gesellschaftsschichten.“ Mit diesem weiß auf schwarzem Untergrund befindlichen, schwer verdaulichen Text schließt Regisseur Günter Schwaiger den Film und kontextualisiert seinen ersten Spielfilm mit der erschütternden Realität. Der gebürtige Salzburger widmet sich in „Der Taucher“ 94 Minuten lang dem Thema des häuslichen Missbrauchs. Derzeit ist der Film auf der österreichischen Streamingplattform „Kino VOD Club“ als Teil der „Diagonale’20 – Die Unvollendete“ zu sehen.

von Elli Leeb

Der Film führt mit wunderschönen Landschaftsbildern der balearischen Insel Ibiza in die Handlung ein, denn da lebt die gebürtige Wienerin Irene (Franziska Weisz) gemeinsam mit ihrer Tochter Lena (Julia Franz Richter). Die Mutter führt eine kleine Modeboutique, die Tochter absolviert gerade die Matura, vertreibt sich die Zeit jedoch viel lieber mit der Produktion von kurzen Stop-Motion-Filmen. Doch so idyllisch und sorgenfrei die mediterrane Kulisse wirken mag, je weiter der Film voranschreitet, desto mehr erkennt man, dass der Schein trügt und der eigentliche Sachverhalt ein anderer ist. Irenes Ex-Partner Paul (Alex Brendemühl) kehrt gemeinsam mit seinem Sohn Robert (Dominic Marcus Singer) – der gerade nach einem monatelangen Aufenthalt aus der Psychiatrie entlassen wurde – auf die Insel zurück, um eine Verurteilung zu verhindern. Der angesehene Musiker hat die alleinerziehende Mutter während ihrer Beziehung krankenhausreif geschlagen und versucht nun mit allen Mitteln zu verhindern, dass dies an die Öffentlichkeit gelangt, um nicht seinen Ruf in Gefahr zu bringen. Irene kämpft sichtlich mit der Abgrenzung von und zu ihm und auch die Kinder der beiden sind von der Situation offenkundig mitgenommen.

Schwaiger räumt den verschiedenen Perspektiven der vier Protagonist/innen gleich viel Raum ein und versucht so, auf unterschiedliche Arten des Umgangs mit häuslichem Missbrauch wie Verdrängen, Leugnen, Widerstand oder Resignation aufmerksam zu machen. Was an sich einen äußerst innovativen Ansatz darstellt, mangelt an einigen Stellen an der Umsetzung. Trotz der starken Konfliktfokussierung und der steten Thematisierung der individuellen Probleme der Figuren bleiben diese dennoch recht unnahbar. Zudem schafft es die kammerspielartige Inszenierung nur schleichend, Spannung aufzubauen.

Nichtdestotrotz stellt Schwaigers Einsatz von klassischen Mystery-Elementen einen interessanten Rahmen dar, wobei fraglich ist, ob solch einer die beste Wahl für jenes schwerfällige Thema ist, da in der Schlusssequenz nochmals explizit auf die realen Todesfälle aufgrund häuslicher Gewalt hingewiesen wird. Interessant ist auch die schwierige Familienkonstellation, die eine außergewöhnliche Dynamik evoziert. Keine der Figuren kann sich je so richtig von ihren Problemen losreißen und zusätzlich wird es dem Publikum schwer gemacht, vollends zwischen „Gut“ und „Böse“ bei den Handlungen der Figuren differenzieren zu können.

Fazit

Günther Schwaigers erster Spielfilm „Der Taucher“ ist der Versuch, die Mechanismen häuslichen Missbrauchs anhand unterschiedlicher Perspektiven der Beteiligten darzustellen. Auch wenn der Spannungsaufbau nur recht schleppend vonstatten geht, ist die kammerspielartige Erzählweise und die Darstellung schwieriger Familienverhältnisse durchaus beachtlich.

Bewertung

7 von 10 Punkten

„Der Taucher“ wäre auch im Wettbewerbsprogramm der Diagonale 2020 gelaufen, und ist derzeit als VOD auf diversen Plattformen zu sehen. Weitere Infos HIER.

Bilder: © Robert Staudinger

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