Ab und an findet man auf Youtube kleine Filmperlen, die dort aufgrund der Linzenzlage frei verfügbar sein. Und manchmal sind es auch solche, die sonst nirgendwo online zu erwerben oder zu sehen sind, und wo auch die Beschaffung von physischen Medien viel Mühe (und/oder Geld) erfordern würde. Ein solcher Fall ist „Malizia“, ein italienischer Film von Salvatore Samperi aus dem Jahr 1973, der damals auch im Wettbewerb der Berlinale lief. Samperi bedient sich inhaltlich wie inszenatorisch am damals populären „Schmuddelfilm“, das Endprodukt ist aber aufgrund seiner Kunstfertigkeit und darstellerischen Qualität über den Gutteil der betreffenden Filme zu stellen, die heute höchstens noch als „guilty pleasures“ dienen können (Hauptdarstellerin Laura Antonelli erhielt für ihre Leistung 1974 den Filmpreis Nostre d’Argento).

von Christian Klosz

Worum geht es in „Malizia“?

Kaum hat der wohlhabende Ignazio La Brocca (Turi Ferro) seine herrschsüchtige Frau zu Grabe getragen, steht dem Witwer ein atemberaubend schönes Mädchen vor der Tür: Angela (Laura Antonelli) ist das neue Dienstmädchen, das von seiner Frau kurz vor ihrem Ableben engagiert wurde. Ignazios Hormonpegel schnellt in die Höhe.

Der Witwer und seine drei Söhne gewöhnen sich sehr schnell an die fürsorgliche und tüchtige Hilfe der neu anwesenden weiblichen Person. Obwohl an Angelas Diensten nichts zu beanstanden ist, ist die allgemeine Wertschätzung für sie größtenteils auf ihre erotische Ausstrahlung zurückzuführen. Der ältere Sohn Antonio wird immer zudringlicher und lässt keine Gelegenheit aus, die junge Frau zu belästigen. Der Witwer seinerseits kann der Versuchung nicht widerstehen und beschließt, Angela nach Rücksprache mit dem Priester ein Heiratsangebot zu machen.

Angela macht aber das Einverständnis seiner Kinder zur Bedingung für die Heirat. Der 18-jährige Antonio und der 6-jährige Enzino sind einverstanden, nur der 14-jährige Nino (Alessandro Momo), der Angela in seiner pubertär-chaotischen Gefühlswelt blind begehrt, verweigert seine Zustimmung.

Nino ist völlig bessessen von seinen seit kurzem erwachten erotischen Fantasien. Er will Angela erpressen und verlangt immer dreister sexuelle Gunstbezeugungen von ihr. Zwischen Angela und Nino entwickelt sich eine arglistige Beziehung, in der Angela sich gezwungen sieht, die erotischen Bedürfnisse des pubertierenden Nino zu befriedigen, damit ihr dieser nicht im Wege stehe bei ihrem Verehelichungswunsch.

Salvatore Samperi hat der heiligen Institution Familie bereits mit seinen vorherigen Filmen „Danke, Tante“ und „Mutterherz“ ein spöttisches Denkmal gesetzt. Im Anbetracht des im Laufe der Jahre immer exhibitionistischer gewordenen Kinos hat der Film fast noch altmodische Züge von Keuschheit und Naivität. (Quelle: Mein-Italien.info)

Die Kritik fasste stimmig zusammen:

„Letztlich nutzte Samperi die Thematik für ein Spiel mit gesellschaftlichen Konventionen, um erotische Fantasien um eine schöne Frau auszuleben, die zwar zurückhaltend, aber nie unterwürfig agiert. Eine einfache Hausangestellte hätte das damals nicht gewagt. Malizia ist ein schön gefilmtes, gut gespieltes Werk, zudem stimmig in Szene gesetzt, in seiner männlich geprägten sexuellen Ausrichtung und Erfüllung entsprechender Erwartungshaltungen aber noch ganz dem verklemmten Zeitgeist der frühen 70er Jahre verpflichtet.“ (L’amore in citta)

Fazit

Damals ein Skandal aufgrund seiner offen dargestellten Erotik und der Hinterfragung von traditionellen Moralvorstellungen und „Familienwerten“, werden manche heute „Malizia“ einen „männlichen Blick“ und Sexismus vorwerfen. Übersehen wird dabei, dass die Protagonistin nicht willfähriges Opfer der Bedürfnisse der Männer um sie ist, sondern diese bewusst und gerissen zum eigenen Vorteil ausnutzt. Eine lustvoll-verspielte Komödie, die Schmuddelerotik und Voyeurismus gekonnt mit künsterlischem Anspruch verbindet.

„Malizia“ ist in guter Qualität auf Youtube zu sehen. Die Untertitel kann man in der gewünschten Sprache einstellen.


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