von Mara Hollenstein-Tirk

2017 war es soweit, die erste Staffel einer neuen Serie erblickte auf Netflix das Licht der Welt: „Haus des Geldes“. Erneut bewies der Streaminganbieter, dass er, was Serien betrifft, oftmals ein gutes Händchen hat, denn die spanische Produktion wurde, trotz einheimischer Darsteller, die im Rest Europas noch gänzlich unbekannt waren, zu einem riesigen Erfolg. Nicht nur das, sie wurde sogar zum gesellschaftlichen Phänomen: Diese Tatsache kommt wohl nirgends deutlicher zum Vorschein, als bei einer Hackeraktion in der türkischen Stadt Izmir, bei der aus dutzenden Moscheen der Stadt anstelle des Abendgebetes das Widerstandslied der Partisanen „Bella Ciao“, welches prominent in der Serie vertreten ist, aus den Lautsprechern zu hören war.

Wer sich die ersten beiden Staffeln von „Haus des Geldes“ anschaut, der wird sich über diesen kulturellen Einfluss nur mehr schwerlich wundern können. Der Kampf gegen das Establishment, die Auflehnung gegen Obrigkeiten, die Sympathie mit Verbrechern ist immerhin nichts Neues in unserer Gesellschaft. Von Robin Hood über Bonnie und Clyde bis zu der hier gezeigten Truppe mit rotem Overall und Dali-Maske, schon immer war man gerne bereit, Sympathien den Outlaws zukommen zu lassen, seien es nun reale oder erfundene, solange sie scheinbar hehre Ziele verfolgen.

Diese Tatsache machen sich die Verantwortlichen hinter „Haus des Geldes“ zu nutzen, bauen sie sogar in den Plot mit ein, und kreieren dadurch ein paar der beliebtesten Gauner der Film- und Seriengeschichte. Man kann gar nicht anders, als mit den Protagonisten mitzuleiden, mitzufiebern und sie manchmal, ob ihrer Unbesonnenheit, zu verfluchen.

Das einzige Problem, dass sich für viele nach dem Ende der zweiten Staffel abzeichnete: Die Geschichte war zu einem – sogar sehr zufriedenstellenden – Ende gekommen. Worum sollte es also in Staffel 3 gehen? Das Festhalten von Netflix an weiteren Staffeln fühlte sich schwer nach der wohlbekannten Praktik „Die Kuh melken solange sie Milch gibt“ an. Doch die Drehbuchautoren sollten all die Skeptiker, die zynischen Stimmen Lügen strafen, denn sie ließen sich nicht nur einen guten Grund dafür einfallen, warum die Truppe, entgegen ihrer ursprünglichen Pläne, noch einen weiteren Coup in Angriff nehmen sollte, sondern ersannen sogar einen noch kühneren Plan als beim ersten Mal. Außerdem wurde schon aufgrund des Aufbaus schnell deutlich, dass dieser Handlungsbogen, im Gegenzug zum ersten, wohl nicht mit zwei Staffeln auserzählt werden kann. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Staffel 3 ein wenig dem ersten Akt eines Filmes ähnelt: das neue Setting wird etabliert, neue Figuren eingeführt, die Beziehungen der Figuren untereinander vertieft und verdeutlicht und der Stein ins Rollen gebracht.

Staffel 4 fühlt sich folgerichtig wie der zweite Akt an: die Kacke ist am Dampfen, alles scheint über unseren „Helden“ zusammenzubrechen, Intrigen werden gesponnen, es gibt Verletzte und sogar Tote. Ein schier endloses Gefühlschaos bricht ebenso über die Protagonisten wie über die Zuschauer herein, stets schwankend zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Jeder kleine Erfolg lässt erneut die Hoffnung aufkeimen, dass das ganze Unterfangen doch nicht in einem Himmelfahrtskommando endet, jeder Rückschlag fühlt sich an wie das endgültige Scheitern. Und der finale Cliffhanger ist ebenso fies wie genial, da man als Zuschauer gar nicht anders kann, als der nächsten Staffel entgegenzufiebern.

Fazit

Alles in allem ist „Haus des Geldes“ wohl eine der besten Serien, die es zur Zeit gibt, weil sie den Zuschauer, dank der hervorragende Drehbücher, der herausragenden Schauspieler und des hohen Tempos, problemlos in ihren Bann zu ziehen vermag und nicht mehr loslässt. Wer also einer explosiven Mischung aus Action und Drama, einem gut durchdachten Beutezug und einer sympathischen Truppe Outlaws nicht abgeneigt ist, der sollte sich dieses Highlight am Serienfirmament auf keinen Fall entgehen lassen.

Bewertung

9 von 10 Punkten (87/100)

Bilder: (c) Netflix