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“Der Geburtstag” – Kritik zum Kinostart

von Cliff Brockerhoff

Heut‘ ist dein Geburtstag, darum feiern wir. Alle deine Freunde freuen sich mit dir! Freunde hat der kleine Lukas genug, und alle sind zahlreich zur Zelebrierung seines Ehrentags erschienen – doch leider erweist sich das Wetter als genauso unbeständig wie die Versprechen seines Vaters, der ihm eigentlich ein Geschenk und einen Besuch im Zoo zugesagt hatte, am besagten Tag aber nichts dergleichen vorzuweisen hat. Strahlender Sonnenschein weicht grollendem Gewitter, und als dann auch noch einer der Gäste der angedachten Gartenparty vergeblich auf die Abholung durch seine Mutter wartet, ist das Chaos perfekt.

Ein Chaos, das der Familie rund um das Geburtstagskind nicht fremd ist. Vater Matthias und Mutter Anna sind frisch geschieden. Beide befinden sich zwar bereits in einer neuen Partnerschaft, doch vieles scheint unausgesprochen. Das, was gesagt wird, sind Vorwürfe und Schuldzuweisungen, und beiden ist anzumerken, dass sie mit der allgemeinen Situation gehörig überfordert sind. Da kommt ein zweites Kind in Gestalt des auf der Feier verbliebenen Julius ungelegen, und so stürzt sich Matthias in die dunkle Nacht um den Jungen schnellstmöglich nach Hause zu bringen.

Handlungstechnisch sondert sich der aus der Feder von Carlos A. Morelli stammende „Der Geburtstag“ also schon einmal stark vom sonst so albern überladenden deutschen Mainstream-Kino ab, und auch inszenatorisch tritt das Werk mit seinen entfärbten Bildern eher in die Fußstapfen eines Edgar Wallace als in die der hippen und sneakertragenden Generation von heute. Im Dramagenre verortet entsteht im Laufe der 80 Minuten eine Geschichte, bei der es irgendwann gar nicht mehr so sehr um das Gezeigte, sondern vielmehr um das damit assoziierte geht. Eltern, insbesondere solche in ähnlicher Lebenssituation, werden sich in den authentischen Charakteren wiedererkennen und bestätigen, dass Lebensabschnitte wie diese beängstigend sein können. Diese Stimmung greift Morelli gekonnt auf und konfrontiert seine Zuschauer mit Filmflair vergangener Tage. Nie wirklich richtig gruselig, aber doch irgendwie beunruhigend.

Dreh- und Angelpunkt ist dabei die zentrale Figur des Vaters, gespielt von „Tatort“-Kommissar und „Dark“-Darsteller Mark Waschke, der seine Vaterrolle nur unzureichend bekleiden kann und nicht nur seinen Sohn regelmäßig vor den Kopf stößt. Doch unisono zur thematischen Ausrichtung des Films, die sich im Laufe abrupt ändert, erfährt auch Matthias eine Metamorphose – weg vom ungeduldigen Unsympath, hin zu dem Mann, der er eigentlich sein sollte. Bezeichnend, dass es ein fremdes Kind braucht um ihm die eigenen Unzulänglichkeiten vor Augen zu führen, aber wie heißt es so schön? Besser spät als nie. Umrahmt wird die Läuterung dabei von den bereits angesprochenen schwarz-weißen Bildern, die aufgrund ihrer Finesse selbst einem Fritz Lang ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hätten. Ebenso wie die versteckte Anspielung auf dessen Meisterwerk „Metropolis“, die findigen Betrachtern schnell ins Auge stechen wird.

Apropos schnell: Trotz all der schauspielerischen Klasse, der hochwertigen Optik und der harmonischen Vermengung zweierlei Stimmungslagen schreitet Morellis zweiter Spielfilm teils zu ungelenk durch die zu vermittelnden Themen. Auch wenn vieles einen Hauch Surrealismus atmet und den Zuschauer bewusst vor die Wahl zwischen Realität und Fiktion stellen soll, poltert die Geschichte an einigen Stellen zu konstruiert und zu offensichtlich durch seine Handlung. Angelehnt an das metaphorisch aufgegriffene Symbol des Elefanten, verhält sich das Drehbuch wie der Dickhäuter im Porzellanladen und lässt einen Teil seines Potenzials zerbrochen am Boden liegen, sodass die unbestritten bedeutsame Aussage lauter anklingt als es nötig gewesen wäre.

Fazit

Sitzen Hitchcock, Wallace und Lang auf einer Bank… was klingt wie der Anfang eines schlechten Witzes ist die Basis der Ausrichtung von „Der Geburtstag“, der sich in der düsteren Ästhetik seiner Vorbilder sonnt und nebenbei auch noch substanzielle Probleme des elterlichen Daseins seziert. Dass es dabei neben viel Licht auch einiges an Schatten gibt ist verzeihlich, dafür ist der Film ein zu wohltuendes Kontrastprogramm, dem ein wenig mehr Mut zur Subtilität allerdings zu mehr Geschenken in Form von Bewertungspunkten verholfen hätte.

Bewertung

6 von 10 Punkten

Bewertung: 6 von 10.

Bilder: ©W-film / Friede Clausz

Wer nun nach Begutachtung vorangegangener Zeilen selber nachschauen möchte ob noch ein Stück von der Geburtstagstorte da ist, kann „Der Geburtstag“ aktuell in ausgewählten Kinos sichten oder den Film parallel ab sofort als video-on-demand ausleihen.

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