Stephen King-Verfilmungen gibt es wie Sand am Strand, und die meisten von ihnen sind dennoch überraschend gut. Herausstechen tut dabei immer noch die erste Leinwand-Adaption des Horror-Königs, jene nämlich seines ersten Romans „Carrie“ (erschienen 1974) von Brian de Palma. Auch für de Palma war „Carrie“ der große Durchbruch und katapultierte ihn ins Auge des New Hollywood-Epizentrums. Der stets ironisch angehauchte und in rotes Schweineblut getränkte Schocker ist ein perfekt konzeptioniertes und komponiertes Kunststück, eine kleine Horror-Oper der Extraklasse, die altert wie guter Whiskey, dessen meisterhafter Einsatz von Kamera, Schnitt, Bildmontage und Musik nicht anders als virtuos zu bezeichnen ist.

De Palma gelingt dabei ganz nebenbei ein treffendes Porträt von fatalem religiösen Fanatismus und von falschen Christen (Carries Mutter, die Wurzel allen Übels), deren moralische Message von nährender Nächstenliebe in geradezu diabolischen Sadismus umschlägt. Die High School-Prom-Tanzszene und die legendäre Bluteimer-Sequenz sind für sich genommen kleine cineastische Perlen, während Schock, Schrecken und Terror gegen Ende aus jeder Aufnahme triefen: Ein zynischer Albtraum, dessen satirischer Unterbau dem Horror seine Ernsthaftigkeit nimmt, während der Schrecken trotzdem körperlich spürbar bleibt, obendrein höllisch unterhaltsam und kurzweilig.

von Christian Klosz

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In der Diskussion um (filmische) Vorbilder, Denkmäler, Monumente mag vielleicht ein nüchterner Blick helfen: Filme sind stets Kinder ihrer Zeit (manche auch ihrer Zeit voraus!), da mag es wenig verwundern, dass die Darstellungsformen in manchem “Filmklassiker” heute befremdlich wirken. Doch Geschichte – und so auch Kunstgeschichte – ist beweglich, nie endgültig, – und was werden Betrachter in 20, 30, 50 Jahren über die Filme sagen und denken, die wir heute feiern?

Filme werden neu interpretiert, neu rezipiert, neu verstanden, so oder so, und es ist schlicht unmöglich, Filme und Kunst “final” zu bewerten (“gut” – “schlecht”; “gut” – “böse”) oder nur eindimensional zu lesen. Alles in allem: Denkmäler für filmische Ikonen und Vor-Bilder, nach denen Generationen von Filmemachern ihr Werk nach-gebildet haben, sind absolut wichtig und richtig, wenngleich die Beschilderung und Beschriftung der cineastischen Statuen immer wieder verändert und adaptiert werden muss.

Unsere neue Reihe “Vor-Bilder” präsentiert filmische Meilensteine und Monumente, “Klassiker”, wie man so schön sagt, die eine herausragende Bedeutung für das Medium hatten und haben, die nicht gestürzt werden sollten, sondern viel eher wiederentdeckt und vor den Vorhang geholt.

#1: “Charade” von Stanley Donen, 1963

#2: “Heat” von Michael Mann, 1995

#3: “Meatballs” von Ivan Reitman, 1979

#4: “The Good, the Bad and the Ugly” von Sergio Leone, 1966

#5: “Carrie” von Brian de Palma, 1976

#6: “Touch of Evil” von Orson Welles, 1958

#7: “True Romance” von Tony Scott, 1993