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„Le jeune Ahmed“ – Kritik

Es ist ein schwieriges und aufgeladenes Thema: Menschen, die aufgrund ihres Glaubens andere verletzten oder gar töten. Doch auch wenn die Gebrüder Dardenne mit ihrem neuesten Film sicherlich auch auf diese Problematik aufmerksam machen wollten, so geht es in „Le jeune Ahmed“ im Kern eigentlich um etwas anderes: nämlich um das Erwachsenwerden, um die Verletzlichkeit und Beeinflussbarkeit, die damit einhergeht. Dieser Fokussierung auf die Coming-of-Age-Elemente der Geschichte folgt schließlich auch der erzählerische Aufbau des Films.

von Mara Hollenstein-Tirk

Nachdem sein Cousin sein Leben für den Dschihad ließ, sucht der junge Ahmed immer mehr Trost und Bestätigung im Koran und den Lehren seines Imams. Nach einigen Vorkommnissen beschließt er schließlich, seine Nachhilfelehrerin im Namen seiner Religion zu ermorden. Der Versuch geht allerdings schief und so findet sich Ahmed schon bald im Jugendvollzug wieder, wo er nicht nur seine Tat, sondern auch seine Motive zu hinterfragen beginnt.

Eine gewisse kulturelle und politische Brisanz lässt sich nach dieser kurzen Inhaltsangabe nicht von der Hand weisen. Die Regisseure versuchen allerdings ihr Bestes, das Geschehen weder plakativ, noch eindimensional darzustellen, sondern den Zuschauer auf eine gewisse Art in den Diskurs mit einzubeziehen, indem sie gekonnt unterschiedliche Positionen aufzeigen und diese auch mit Argument unterlegen, sodass man zwangsläufig beginnt, sich selber Gedanken zu dem Gezeigten zu machen. Wobei eine der wichtigsten Botschaften des Films – ein Appell für mehr Toleranz und gegenseitiges Verständnis – dabei stets omnipräsent bleibt.

Diese feinfühlige Herangehensweise legen die Verantwortlichen auch bei dem eigentlich Hauptthema des Films an den Tag. Auch wenn man sich gerade zu Beginn die Puzzleteile noch eher mühselig selber zusammensetzen muss, versteht man doch mit Fortschreiten des Film immer besser, was den Protagonisten bewegt und ihn zu seinen Handlungen treibt. Der frühe Verlust des Vaters, dann noch der Tod des Cousins, die ganz normalen Wirrungen, die mit dem Älterwerden einhergehen – gerade in dieser Zeit ist es nicht ungewöhnlich, sich Vorbilder außerhalb der Familie zu suchen. Ganz generell ist es eine Zeit der Suche nach sich Selbst, was gefährlich werden kann, wenn man das Selbst bei dieser Suche im Fremden verliert: In fremden Ideologien, fremden Agenden, fremden Vorhaben.

Und obwohl die Ansätze für all diese Einsichten vorhanden, all diese wichtigen Themen irgendwo zwischen den Zeilen zu finden sind, macht der „Le jeune Ahmed“ am Ende zu wenig aus diesen guten Anlagen. Ahmed bleibt für den Zuschauer zu unnahbar, Schweigen soll Tiefgründigkeit erzeugen, ohne dass dabei auf die Zwischentöne geachtet wird, wodurch viele Szenen einfach nur langatmig erscheinen. So bleibt der Film insgesamt hinter seinen Möglichkeiten zurück, schafft es aber gerade in den brisanteren Momenten, die richtigen Töne anzuschlagen und so eher durch seine Prämisse, denn durch seine eigentliche Handlung in Erinnerung zu bleiben.   

Bewertung:

Bewertung: 7 von 10.

(66/100)

Seit 18.9. im Kino (Ö).

Bilder: © Stadtkino Filmverleih

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