Website-Icon Film plus Kritik – Online-Magazin für Film, Kino & TV

„Enfant Terrible“ – Kritik zum Kinostart

Rainer Werner Fassbinder: Ein Name, an dem man nicht vorbeikommt, wenn man sich mit deutscher Filmgeschichte auseinandersetzt. Und das nicht nur, weil der Künstler, Therater- und Filmschaffende, bevor er mit nur 37 Jahren starb, mehr als 40 Filme drehte, sondern auch weil der Regisseur zu einem der provokantesten und einflussreichsten Vertretern des Neuen Deutsche Film zählt.

von Madeleine Eger

Oskar Roehlers Hommage an den Ausnahmekünstler namens „Enfant Terrible“ ist dabei vielmehr ein Porträt eines Mannes, dessen Sehnsüchte und Streben nach Liebe, Wahrheit und Erfolg sich zum einen in den Filmen, zum anderen in einem Arbeitsumfeld, das von Abhängigkeiten und ausbeutenden sowie (selbst-) zerstörerischen Machtverhältnissen geprägt war, wiederfinden: 1967 ist Fassbinder gerade 22 und am Anfang seiner Karriere, als er unvermittelt die Leitung einer Theaterinszenierung kapert und mit großen Zielen vor Augen ganz offensiv und provokant alsbald auch das Filmgeschäft aufmischt. Es folgen Jahre, in denen der Regisseur wie besessen Filme dreht, während sein hartes Regime unterdessen seine Opfer fordert. Auf dem Weg zur unvergessenen Ikone ist Fassbinder fast alles recht.

Episodenhaft bebildert Oskar Roehler Fassbinders Werdegang und seine strapaziösen Dreharbeiten vor dem Hintergrund minimalistischer, aber aussagekräftiger Theaterkulissen. Ganz unverhohlen liegt der Fokus des Films dabei jedoch auf den weniger schönen Seiten des „Enfant Terrible“. Trotzig, stur, laut, niederträchtig, masochistisch, hedonistisch – und das fast immer auf Kosten seiner Mitmenschen, Mitschaffenden und Liebhaber/innen. Eigenschaften, die Darsteller Oliver Masucci als Fassbinder offensiv und im wahrsten Sinne des Wortes mit vollem Körpereinsatz auf die Leinwand bringt. Manchmal erschreckend brutal, manchmal reserviert verletzlich, manchmal beinah karikativ und derart überspitzt, dass es gewissen Szenen sogar zögerliche Komik überstülpt.

Der Balanceakt zwischen cineastischer Provokation mit ausufernden Sex-, Alkohol- und Drogeneskapaden und tiefgründigem sowie umfassendem Biopic gelingt „Enfant Terrible“ bis zum Schluss nicht ganz und könnte für Fassbinder-Neulinge eine Herausforderung werden, die es am Ende auch aufgrund der etwas zu langen Laufzeit auszuhalten gilt. Das allerdings hat „Enfant Terrible“ mit den Werken von Fassbinder gemein: ein ungeschöntes Abbild der Realität, das polarisiert und eigensinnig wie unbeirrt die Standhaftigkeit des Publikums auf die Probe stellt.

Fazit:

Ambivalent, offensiv provokant und destruktiv. Wie das Leben und das filmische Schaffen des Fassbinders selbst ist „Enfant Terrible“ ein nur schwer verdaulicher, zum Teil schwer hinnehmbarer Balanceakt eines menschlichen Porträts, das Abgründe und Sehnsüchte offenbart, dem Publikum aber tieferliegende Antworten verwehrt. Der filmische Einblick in das Leben des Künstlers wird polarisieren. Seit 2.10. im Kino.

Bewertung:

Bewertung: 7 von 10.

Bild: © Bavaria Filmproduktion

Die mobile Version verlassen