Dass die Natur mit ihren unzähligen Pflanzen heilende Kräfte für Körper und Geist besitzt, erkannten nicht nur Pharmazeuten und Mediziner, auch die Autorin und Schriftstellerin Frances Hodgson Burnett verfasste 1911 einen Roman, der die Heilungsprozesse kindlicher Seelen in Zusammenhang mit dem Aufleben und Aufblühen eines verwahrlosten und totgeglaubten Gartens erzählt. „Der geheime Garten“ ist bis heute nicht grundlos eine bei Jung und Alt beliebte Geschichte, die seither schon mehrfach verfilmt und für die Bühnen dieser Welt adaptiert wurde.

von Madeleine Eger

Die 10 jährige Mary (Dixie Egerickx), stammt aus reichen Familienverhältnissen, verliert 1947 aber ihre Eltern während den gewaltsamen Unruhen, die zur Teilung von Indien und Pakistan führten. Das verzogene, unfreundliche und sture Mädchen wird daraufhin zu ihrem einzigen noch verbliebenen Angehörigen, ihrem Onkel Archibal Craven (Colin Firth) zurück nach England geschickt. Auch dort ist Mary auf sich allein gestellt, beginnt aber alsbald das umgebende Moor zu erkunden und stößt dabei auf einen verwachsenen Garten, der magische Kräfte zu beherbergen scheint. Einige Zeit später lernt sie im Anwesen ihren scheinbar schwer kranken Cousin Colin (Edan Hayhurst) kennen. Mit ihm und dem Bruder des Dienstmädchens Martha (Isis Davis) teilt sie fortan das Geheimnis des Gartens und zusammen entdecken sie dessen Wunder und die eigene Familiengeschichte. Dabei lernen sie nicht nur viel über sich selbst, sondern spüren auch die heilenden Kräfte des verwunschenen Ortes, die nicht nur für die Kinder Veränderungen mit sich bringen.

Der vielfach mit dem BAFTA ausgezeichnete Regisseur Marc Munden war bisher vorrangig für Fernsehproduktionen tätig und kreierte nun zusammen mit Drehbuchautor Jack Thorne (u.a. „Enola Holmes“ und „Marie Curie“) und Produzent David Heyman (u.a. verantwortlich für die gesamte Harry Potter Reihe) ein zwar visuell magisches Leinwanderlebnis, dass dennoch und trotz der herausragenden Buchvorlage nie den zauberhaften Funken versprüht, der nötig wäre, um Kinder sowie Erwachsene gleichermaßen von der Geschichte begeistern zu können.

Das liegt indes keineswegs an den Effekten oder hübschen Naturaufnahmen, die in Kombination mit den liebevoll komponierten Melodien oftmals sehr stimmig erscheinen und damit nicht nur die kindliche Vorstellungskraft und Kreativität der Figuren, sondern auch die des Publikums zu beflügeln vermögen. Wenn sich im Garten nach und nach aus Marys Kleidmusterung die Schmetterlinge lösen und davon flattern oder die Blätter Marys Euphorie und Lebensfreude in einer Art Farbfeuerwerk widerspiegeln, so verwischt die Grenze zwischen Fantasie und Realität immer wieder und man lässt damit auch Elemente zu, die man sonst üblicherweise nur im Fantasygenre vorfindet.

Jedoch reichen diese Szenen nicht aus, um über die Dysbalance des gesamten Films hinwegzutäuschen. Denn eigentlich ist „Der geheime Garten“ ein Werk, welches sich äußerst tiefgründig mit den komplexen kindlichen Erfahrungen rund um Verlust und Einsamkeit aber auch Zuversicht, Hoffnung und Vertrauen beschäftigt – und an einer adäquaten Wiedergabe dessen diese Verfilmung am Ende schlichtweg scheitert. Der Fokus, der eindeutig auf den beiden Hauptdarstellern liegen und ihre charakterliche Entwicklung porträtieren sollte, rückt immer wieder ab zur bisweilen sogar deplatzierten Vergangenheitsaufarbeitung. Zu oft verliert sich der Film in den geisterhaften Augenblicken, die zunehmend zwar die familiäre Beziehung der Kinder zueinander und die Geschichte der Mütter erklären, weniger aber, warum Mary viel zu oft auf sich allein gestellt war und warum sie nun erst lernen muss, was es bedeutet, sich auf zwischenmenschliche Beziehungen einzulassen. Wenn es also um die Bewältigung von Trauer und den Verlust eines Elternteils geht, die sich hier fast schon zu aufdringlich in den Vordergrund spielt, schaffte etwa der Film „Sieben Minuten nach Mitternacht“ im Vergleich ein sehr viel bedeutsameres Bild und erlangte bei weitem mehr Aussagekraft.

Aber nicht nur thematisch findet Munden das Gleichgewicht kaum, auch gestalterisch und ästhetisch wandelt das Drama mit seinen Bildern immer wieder auf Pfaden, die durchaus dem Mysteryhorror entsprungen sein könnten. Wenn das Anwesen mit viel zu engen und düsteren Gängen in tief dunklem blau und schwarz in Erscheinung tritt und selbst beim erwachsenen Zuschauer Unbehagen hervorruft, ist nicht nur die Darstellung von Tristesse, Gefühlslosigkeit und Trauer weitestgehend verfehlt, es könnte im schlimmsten Fall sogar dem jüngeren Publikum unnötig Angst machen.

Diese unausgewogene und unstimmig wirkende Bildwahl sorgt letzten Endes leider zusätzlich dafür, dass die Figuren nie den Raum zur Charakterentfaltung zugestanden bekommen, der für dieses Werk von Nöten gewesen wäre, um Empathie beim Zuschauer auszulösen. So bleibt von der Neuauflage schließlich nicht viel mehr in Erinnerung als einige schön anzusehende Naturaufnahmen mit blassen Figuren, die der Vorlage kaum gerecht werden.

Fazit

Einmal mehr versucht sich ein Regisseur an der Komplexität des Kinderbuchs „Der geheime Garten“ und bleibt, trotz vielfach zauberhafter Bilder, erfolglos in seiner Darstellung von kindlichen Schicksalsschlägen und deren Bewältigung. Übrig bleibt ein weitestgehend unausgeglichener Film, der Liebhaber des Buches wohl mehr vor den Kopf stößt, als dass er verzaubert. Schade.

Bewertung

Bewertung: 5 von 10.

Bilder: (c) 2020 Studiocanal GmBH