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„Amulet“ – Kritik zum Heimkino-Start

Tomasz ist, dem allgemeinen Sprachgebrauch nach, wohl der Inbegriff eines Tagelöhners. Nach seinem Einsatz als Sicherheitsposten in einem nicht näher definierten Krieg weiß er nicht wohin mit sich, strandet in den Gassen Londons und versucht sein Leben dort neu zu ordnen. Nachts von seinem Träumen geplagt, tagsüber angefeindet – doch als der traumatisierte Ex-Soldat nach einem Brand von Schwester Claire aufgelesen wird, scheint sich das Blatt zu wenden.

von Cliff Brockerhoff

Das Grundkonzept von „Amulet“ liest sich auf den ersten Blick also altbekannt und lässt wenig Hoffnung auf einen Film aufkeimen, der sich aus der Masse hervortun kann. Und doch, Regisseurin Romola Garai wagt sich in ihrem Langspielfilm-Debüt auf interessantes Terrain und versucht einer bereits vielfach erzählten Geschichte neues Leben einzuhauchen. Die Erzählung läuft parallel auf zwei Zeitebenen. In der einen erleben wir die Vergangenheit von Tomasz und ergründen ein spezielles Ereignis grauer Tage. Eines, das sich lange Zeit anders abzeichnet, ja gar irgendwie positiv anmutend beginnt und dann in einer Tragödie endet. So tragisch, dass er sich nachts physischer Hilfsmittel bedienen muss um überhaupt Schlaf zu finden.

Die andere Ebene spielt sich in der Gegenwart ab und begleitet ihn bei seiner neuen Aufgabe. Diese besteht im Grunde darin der schüchternen Magda im Haus zur Hand zu gehen. Das alte Anwesen, das sie ihr Zuhause nennt, ist baufällig, stellenweise marode, sodass es einer starken Hand bedarf, die dem alten Gemäuer neuen Glanz verleiht. Magda kümmert sich derweil um ihre Mutter, die das obere Stockwerk bewohnt und im Angesicht des Todes ihre letzten Tage auf der Erde verbringt. Doch „Amulet“ wäre kein Horrorfilm, wenn sich diese Komponenten im Fortlauf nicht zu einer mysteriösen Komposition vereinen würden, die selbst erfahrenen Zuschauern den ein oder anderen kalten Schauer über den Rücken jagt.

Garai setzt dabei auf die Bildsprache, der Faszination des Unnahbaren und der Kraft der eigenen Vorstellungskraft. Lange Zeit wird vieles nur angedeutet, einzelne Ausschnitte lassen das Ausmaß des Horrors lediglich erahnen und die Handlung tendiert immer wieder in eine hoffnungsvolle Richtung – nur um im nächsten Moment ihrer Tragik zu erliegen. Generell kommt das Werk mit seinen düsteren Farben und seiner kammerspielartigen Inszenierung sehr düster, kalt und wenig lebensbejahend daher. Umso schmerzvoller sind die kleinen, schönen Momente, bei denen schnell klar wird, dass sie nicht mehr als das kurze Aufglimmen eines anderen Lebens sind. Einem Leben, das weder Tomasz noch Magda beiwohnen können, da sie Gefangene ihrer eigenen Existenz sind. Hierin besteht dann letztlich auch die große Anziehungskraft der beiden, auch wenn Garai glücklicherweise auf die typisch erzwungene Romantik verzichtet.

Der Fokus liegt klar auf dem Unschönen, dem Leid, dem Fatalismus, aus dem es kein Entkommen gibt. Gängige Klischees werden großzügig gemieden, der Film vertraut seinen eigenen Stärken und sticht so eben doch aus der Masse hervor, ohne großartig innovativ oder experimentell zu verfahren. Nur gegen Ende wagt der Film einen Ausflug ins Bizarre und setzt so noch mal einen Glanzpunkt, der das vorherige Treiben krönt, dem ein oder anderen aber dann vielleicht zu seltsam erscheinen mag. Grundsätzlich macht er bis dato aber fast alles richtig, überzeugt mit einer schaurig dichten Atmosphäre, gibt nicht zu schnell zu viel preis, wird nie zu kryptisch und findet eine schlüssige, wenn auch übernatürlich angehauchte Erklärung für seine Geschichte. Und apropos übernatürlich: wie genial ist bitte das Sounddesign dieses Films? Sowohl die Songs, als auch die akustischen Effekte sind à la bonne heure und runden den Ausflug in die Welt des Symbolismus stilsicher ab.

Fazit

Mit „Amulet“ ist der Britin Garai eine Überraschung gelungen. Ihr Film spielt mit der Fantasie seiner Zuschauer, manifestiert sich in seinen Gedanken und konfrontiert ihn mit versiert inszeniertem, klassischem Horror mit intensivem Mysteryeinschlag. Innerhalb seiner knapp 100 Minuten baut er langsam bedrohliche Spannung auf, offenbart sich am Ende als ambitionierter Genrehybrid, dem ein dezent feministischer Anstrich innewohnt und trotzt so der einhelligen Meinung, dass es übermäßige Effekte braucht um den Betrachter zu ängstigen. Stark! Ab sofort als BluRay, DVD oder als video-on-demand erhältlich.

Bewertung

Bewertung: 8 von 10.

(78/100)

Bilder: ©Ascot Elite Entertainment

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