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„Uncle Frank“ – Kritik zum Streaming-Start

Auch wenn Streaminganbieter Amazon mit Konkurrent Netflix noch nicht ganz mithalten kann, was die Quantität der anlaufenden Eigenproduktionen betrifft, so beweist man doch immer wieder, dass dies nicht für die Qualität der Filme gilt. Jüngstes Beispiel dafür ist das vor Kurzem auf Prime gestartet Drama „Uncle Frank“ mit Paul Bettany in der titelgebenden Hauptrolle. Besagter Onkel ist dabei so etwas wie der Sonderling der ansonsten ach so durchschnittlichen Südstaatenfamilie: Immerhin ist er nach New York gezogen, lehrt dort an einem renommierten College Literatur und lebt seit vielen Jahren glücklich mit einem Mann zusammen – wovon seine Familie allerdings nichts weiß. Doch nicht er gibt hier den Erzähler, sondern ganz dem Titel entsprechend ist es seine Nichte Beth (gespielt von Sophia Lillis), die uns Franks Geschichte näherbringt. Auf einem gemeinsamen Roadtrip zum Begräbnis des Vaters/Großvaters kommen sich die beiden immer näher, je mehr Beth über das Leben ihres Onkels erfährt.

von Mara Hollenstein-Tirk

Auf den ersten Blick hört sich das nach sehr klassischem Material für ein Familiendrama mit Gesellschaftskritik an. Durch die zeitliche Verortung des Ganzen in den 60er und 70er Jahren könnte man die Aktualität vielleicht zunächst in Frage stellen, aber wenn man über den großen Teich blickt, speziell in die Südstaaten, dann muss man leider sagen, dass es Homosexuelle dort nach wie vor nicht leicht haben (wie auch an vielen anderen Orten auf dieser Welt). Doch obwohl man nun bereits eine ziemlich gute Vorstellung davon bekommen könnte, wohin die Reise mit „Uncle Frank“ gehen wird, weiß einen der Film trotzdem zu überraschen.

Anders als man es vermuten würde baut sich die Geschichte nämlich wirklich langsam auf. Bevor am Ende alle Dämme brechen, spürt man von den im Verborgenen schlummernden Abgründen nämlich erst relativ wenig. Es sind lediglich äußerst feinfühlig eingebaute und noch feinfühliger gespielte Andeutungen einer tieferen Zerrissenheit, oft nur durch eine kleine Zuckung, ein kurze Veränderung der Tonlage, einen flüchtigen Blick dargestellt. Ansonsten meint man in der ersten Hälfte noch, dass eigentlich alles ziemlich gut läuft. Frank scheint mit seinem Leben in New York und seinem Lebensgefährten sehr glücklich zu sein. Klar, die Beziehung zum Vater ist im Eimer und ganz allgemein hat er lediglich zu seiner Nichte Beth wirklich Kontakt, aber alles in allem könnte man es sicher schlechter treffen. So plätschert die erste Hälfte des Films ein wenig vor sich hin, bringt einem so aber Schritt für Schritt, ohne dass man es wirklich bemerken würde, die beiden Hauptpersonen immer näher. Was dazu führt, dass einem die Enthüllungen in der zweiten Hälfte sehr zu Herzen gehen, man mit Frank mitfühlt, und viele kleinere Momente aus der ersten Hälfte in einen ganz neuen Kontext gesetzt werden.

So kann es passieren, dass man als Zuschauer am Ende ebenso zerstört auf der Couch sitzt wie Frank vor einem Grab und die Tränen ungehindert ihren Weg die Wangen hinunter finden. Dass es „Uncle Frank“ schafft, einen so zu berühren, liegt nicht nur an dem gemächlichen Aufbau, sondern vor allem an Paul Bettany. Wieso dieser Mann nicht schon längst eine große Hauptrolle nach der anderen angeboten bekommt, ist gerade nach der hier gezeigten Performance mehr als unverständlich. Sein Onkel Frank ist so vielschichtig, so nuanciert, so echt, dass man den Schauspieler hinter der Rolle gar nicht mehr wahrnimmt. Natürlich tragen auch Sophia Lillis als einfühlsame Nichte, Peter Macdissi als verständnisvoller Lebensgefährte, sowie der übrige Cast dazu bei, dass die Geschichte so authentisch, ungekünstelt wirkt, aber eigentlich ist das hier ganz klar Bettanys Show. So verzeiht man dann auch ohne weiteres das allzu versöhnliche Ende, ja, man feiert es sogar regelrecht, denn auch wenn ein düstererer Ausgang sicherlich realistischere gewesen wäre, so ist der hier gezeigte auf jeden Fall hoffnungsvoller. Und ist es nicht genau das, was man ab und zu braucht, diesen Funken Hoffnung, der einem zeigt, dass die Welt doch kein so dunkler und einsamer Ort sein muss?

Bewertung:

Bewertung: 8 von 10.

(83 von 100)

Bilder: Amazon Prime

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