Während aktuell „Mank“ versucht, das Genie Orson Welles‘ kritisch zu hinterfragen, belegen andere Filme das genaue Gegenteil, vor allem seine eigenen. Ein Beispiel für ein Werk des legendären Regisseurs, der fälschlicherweise immer noch hauptsächlich mit „Citizen Kane“ identifiziert wird, ist „Touch of Evil“ („Im Zeichen des Bösen“) aus dem Jahr 1958: Ein erstklassiger Noir-Thriller in schwarz-weiß, angesiedelt im Polizeimilieu in der mexikanischen Grenzregion und ein treffsicheres Traktat über Korruption und die Versuchungen der Macht, die auch vor Cpt. Hank Quinlan (Welles mit zumindest 30 Kilo zu viel auf den Rippen) nicht Halt machen. Dieser sieht sich mit einem Bombenanschlag in seinem Distrikt konfrontiert, der zuvor in einer virtuos inszenierten Plansequenz eingefangen wurde, die zu den besten der Filmgeschichte gehört. Quinlan, schon viel zu lange Polizei-Captain, hat um sich ein System aus Günstlingen aufgebaut, die im Fall des Falles Beweise verschwinden oder auftauchen lassen – so auch hier. Doch mit Miguel Vargas (Charlton Heston als mexikanischer Cop) bekommt Quinlan erstmals einen potenten Gegenspieler, der die Zeichen des Bösen richtig liest und den durch und durch korrupten Cop zu Fall bringen möchte.

„Touch of Evil“ ist ein in bestechenden Bildern gefilmtes Werk, das nicht nur eine kluge Parabel über des Menschen Willen zum Bösen ist, sondern ganz nebenbei neue Standards in Punkto Inszenierung und Kameraarbeit setzte: Die Einstellungen gestochen scharf, die Mise-en-Scene umrahmt von schimmernden Schattenkaskaden, die in in jedem Moment über die Szenerie hereinzubrechen drohen, gefilmt vornehmlich aus der Froschperspektive, die den korrupten Captain noch bedrohlicher und „bigger than life“ erscheinen lässt – und zur Draufgabe brilliert Welles als ebenjener ekelhafte, von Macht, Neid und Missgunst zerfressene und aufgeblähte Polizeikapitän, von dem trotz allem eine seltsame Anziehung auszugehen scheint.

von Christian Klosz

„Touch of Evil“ ist derzeit bei diversen Anbietern (u.a. Amazon Prime) ab rund 3€ in neu restaurierter Fassung als VOD zu erwerben.

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Unsere neue Reihe “Vor-Bilder” präsentiert filmische Meilensteine und Monumente, “Klassiker”, wie man so schön sagt, die eine herausragende Bedeutung für das Medium hatten und haben, die nicht gestürzt werden sollten, sondern viel eher wiederentdeckt und vor den Vorhang geholt.

#1: “Charade” von Stanley Donen, 1963

#2: “Heat” von Michael Mann, 1995

#3: “Meatballs” von Ivan Reitman, 1979

#4: “The Good, the Bad and the Ugly” von Sergio Leone, 1966

#5: “Carrie” von Brian de Palma, 1976

#6: “Touch of Evil” von Orson Welles, 1958

#7: “True Romance” von Tony Scott, 1993