Ein Film, der sich im Zeichen der Corona-Pandemie voll und ganz im Video-Chat abspielt: „Language Lessons“, der im Rahmen der der Sektion Berlinale Special zu sehen war, handelt von der aufkeimenden Freundschaft zwischen dem Witwer Adam und seiner Spanischlehrerin Cariño. Wir haben Regisseurin und Drehbuchautorin Natalie Morales, sowie Drehbuchautor Mark Duplass, die im Film auch die Hauptrollen spielen, zum Interview getroffen – passenderweise via Zoom.

Von Paul Kunz

„Ich weiß nicht, ob der Film gemacht worden wäre, wenn Covid nie passiert wäre. Wir haben unter den gegebenen Bedingungen gedreht und auch die mit der Situation verbundenen Emotionen mithineinfließen lassen“, sagt Natalie Morales (Bild rechts) über den Einfluss der Pandemie auf das Projekt. „Mark war inspiriert von einem Spanisch-Kurs, den er wegen Covid via Zoom machen musste. Der Film ist insofern vor allem durch die jetzt sehr präsente Art der Kommunikation via Video-Chat geprägt.“ Dennoch wollten Morales und Duplass die Krise selbst nicht zum Thema machen. „Wir wollten, dass der Film zu jeder Zeit spielen könnte. Und wir wollten ihn nicht mit einer Situation verknüpfen, die allen schon zum Hals raushängt.

Anstatt die Pandemie zu thematisieren, machte sich „Language Lessons“ also lediglich die Covid-konforme Kommunikationsform zunutze, um die Bildung einer Freundschaft zu näher zu beleuchten. „Wir wollten die natürliche Verbindung nutzen, die Natalie und ich hatten“, so Duplass. „Wir kannten einander schon vorher, waren aber keine engen Freunde. Und ich habe die Idee geliebt, einen Film zu drehen – insbesondere einen überwiegend improvisierten – bei dem man das Entstehen einer echten Freundschaft auf der Leinwand sieht. So etwas ist greifbar! Für uns war das Format sehr praktisch, weil es bedeutete, dass wir zwei unter uns waren. Wir haben am Anfang niemandem erzählt, dass wir diesen Film machen.“

Eine nicht-romantische Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau im Zentrum ist nach wie vor ein selten beleuchtetes Thema im Film. Doch dass „Language Lessons“ keine romantischen Gefühle zwischen seinen Protagonisten aufkommen lassen würde, war Morales und Duplass von Anfang an klar: „Wir haben sehr früh gemeinschaftlich beschlossen, dass Adam schwul sein würde, damit eine romantische Beziehung kein Thema ist“, so Duplass (Bild links). Adam und Cariño sprechen in einer Szene auch offen über Adams Sexualität und seine damit verknüpften Erfahrungen. Aber auch über andere soziale Themen, wie das Bewusstsein für die eigenen Privilegien, das Empfinden von „White Guilt“ oder die Überhöhung und Idealisierung von Frauen werden thematisiert. Diese Aspekte offen anzusprechen, war eine sehr bewusste Entscheidung, wie Morales erklärt: „Das war unvermeidbar. Wenn man die beiden Figuren einander gegenüberstellt, werden ihre Unterschiede offensichtlich. Sie dann nicht anzusprechen, heißt, etwas zu verstecken. Es war sehr wichtig für uns, dass Adam nicht der White Saviour des Films wird, sondern dass beide Figuren einander retten. Und bezüglich Weiblichkeit: als Frauen werden wir oft auf eine schöne Art idealisiert und dadurch gleichzeitig eingeschränkt. Jemand sieht dich an und denkt, du bist lieb und wunderbar, aber dadurch bist du limitiert in dem, was du sein kannst.“

Doch Morales war es durchaus auch ein Bedürfnis, mit dem Film eine positive Veränderung in der Welt zu bewirken: „Ich denke, alle Künstler/innen und Filmschaffende wollen die Welt zu einem besseren Ort machen. Ich weiß, wie tiefgreifend und vielleicht unbewusst Kunst die Kultur verändert. Sie verändert die Art, wie Menschen die Welt wahrnehmen und sie stößt Veränderung an. In den USA hat „Will & Grace“ dafür gesorgt, dass homosexuelle Beziehungen etwas sein konnten, was man im Wohnzimmer am Fernseher sehen kann.“

Die beiden Hauptfiguren haben Morales und Duplass weitgehend unabhängig voneinander entwickelt, wie Duplass erzählt: „Als ich eine grobe Idee für das Projekt hatte, habe ich sofort Natalie angerufen. Wir haben ein paar Stunden telefoniert und die Handlung besprochen. Dann haben wir getrennt voneinander die Hintergrundgeschichten der Figuren ausgearbeitet.“ Bei diesem Prozess sind Figuren entstanden, die sehr unterschiedlich mit der Nähe umgehen, die sie zueinander aufbauen. „Adam bleibt den Film hindurch immer gleich in dem Sinne, dass er von Anfang an sehr offen“, so Morales. „Ich fand, das war eine sehr interessante Idee von Mark, die Figur so zu schreiben. Und das hilft Cariño sehr. Sie stellt sich zu Beginn auf eine bestimmte Art dar, doch diese Darstellung ändert sich. Sie ist nämlich sehr ‚nett‘ – doch dann ist da eine Mauer. Wenn man nicht tiefer gräbt, dann bemerkt man die Mauer gar nicht, weil sie so sympathisch ist. Erst wenn man nachhakt, stößt man auf darauf. Und das ist sie nicht gewohnt, schon gar nicht von einem ihrer Schüler.“

Bleibt die Frage, ob man „Language Lessons“ irgendwann auch auf der großen Leinwand sehen können wird – oder ob der Film im Videochatformat vorerst lediglich im Online-Vertrieb zu sehen sein wird. Morales würde es sich wünschen: „Ich hoffe wir können ihn im Juni in Berlin im Kino sein, vielleicht schon früher. Aber ich bin keine Elitaristin, wenn es um Film, Kino oder Kunst geht. Jede Art sich auszudrücken ist berechtigt, egal ob Streaming oder Kino. Ich liebe Kino! Und freue mich auf den Tag, an dem ich wieder ins Kino gehen kann. Aber es geht nicht um die Größe der Leinwand, sondern darum, den Film mit anderen Menschen in einem Raum zu erleben.“ Ähnlich sieht das auch Duplass, der sowohl in Kino als auch Streaming bereits viel Erfahrung gesammelt hat: „Dass irgendjemand Filme von mir sehen möchte, egal wo und auf welchem Gerät – allein dadurch fühl ich mich geehrt. Und obwohl ich es lieben würde in einer Welt zu leben, in der Studios uns $ 100 Millionen für „Language Lessons“ zahlen und der Film $ 100 Millionen in den Kinos einspielt, ist das nun einmal nicht die Realität. Und das ist okay für mich. Wenn der Film auf einer Streaming-Plattform landet und von Menschen gesehen wird, bin ich bereits der glücklichste Mann der Welt.“

Bilder: © Jeremy Mackie bzw. © Luke Fontana