Der 1954 erschienene Roman „Der Herr der Fliegen“ war nicht nur das Erstlingswerk von William Golding, sondern gleichzeitig auch direkt sein erfolgreichstes Buch. Die Geschichte rund um die soziale Entwicklung von Gruppen in Extremsituationen, den Aufbau von dynamischen Strukturen und die Problematiken des entstehenden Machtgefüges wird auch heute noch als Lehrstoff herangezogen und erhält immer wieder Einzug im cineastischen Terrain – so auch in „Voyagers“.
Nachdem anhaltende Hitzeperioden die Erde für die Menschheit nachhaltig unbewohnbar machen, schreitet die Suche nach alternativem Lebensraum voran und gelangt 2063 zu einem Abschluss. Um herauszufinden ob der entdeckte Planet tatsächlich bewohnbar ist, wird eine eigens dafür gezüchtete Gruppe junger Menschen auf eine Expedition entsandt, von der es keine Wiederkehr gibt. Ohne Kenntnis über Sonnenlicht oder anderen Menschen startet die isolierte Truppe ihre Mission den Fortbestand der Menschheit zu sichern, muss aber schnell feststellen, dass irdische Probleme auch im Weltall allgegenwärtig sind. Und auch außerhalb tut sich eine Gefahr auf.

Eine simple und doch interessante Prämisse. Wie wirkt sich die Ausnahmesituation auf die persönliche Entwicklung aus? Beeinflusst Ausweglosigkeit das zwischenmenschliche Handeln? Kann den natürlichen Problemen der Pubertät und der wahren Natur Einhalt geboten werden? Fragen, die der Film stellt und relativ zügig beantwortet. Innerhalb der Crew entbrennen Machtkämpfe und soziale Auseinandersetzungen, wie sie jeder kennt. Personen geraten aneinander, streiten um Führung und beginnen, im Anflug von Misstrauen, Sinn und Zweck der Unternehmung zu hinterfragen. Soweit alles nachvollziehbar, gäbe es da nicht den einen, massiven Logikfehler gleich zu Anfang. Dort wird von einer 86-jährigen Reise gesprochen, die angeblich erst durch die Enkelkinder der Besatzung beendet wird. Angesichts des jungen Alters beim Aufbruch und einer tendenziell steigenden Lebenserwartung schlichtweg grober Unfug.
Ärgerlich, vor allem weil der Film sich sehr lange an diesem Umstand festklammert und das Handeln der Protagonisten damit rechtfertigt. Glücklicherweise verliert sich die anfängliche Irritation mit Fortlauf im schnörkellosen Spannungsaufbau, der von der beengten Atmosphäre profitiert und die Zuschauerschaft hautnah am Werteverfall teilhaben lässt. Das Zusammenspiel von intrinsischen Problemen, dem sich aufbauenden Zwiespalt innerhalb der Crew und externen Gefahren sorgt immer wieder für Impulse, die die Handlung blitzschnell umschlagen lassen. Schade nur, dass das Werk seine räumlichen Gegebenheiten zu selten ausnutzt, um diese gebührend in Szene zu setzen. Ständig wiederkehrende Kamerafahrten durch das Raumschiff vermitteln gekonnt die Monotonie des dortigen Daseins, die repetitive Bilderflut engt das Geschehen jedoch gleichzeitig ein und lässt optische Abwechslung vermissen. Der riesige Komplex wird auf wenige Räume begrenzt und unterdrückt den natürlichen Entdeckerdrang.
Die Schauspieler dürfen sich dagegen frei entfalten. Es wird gestritten, geschrien, gerannt und gekämpft. Eine erzwungene Liebesgeschichte darf natürlich auch nicht fehlen, stört aufgrund der geringen screentime aber nur unwesentlich. Viel störender ist das teils plump animalische Balzverhalzen der Alphamännchen. Dieses lässt sich zwar mit fehlender humaner Erfahrung halbwegs erklären, erschwert den Zugang zu den Charakteren aber ungemein und wirkt bisweilen viel zu plakativ. Sympathieträger lassen sich innerhalb der Gruppe eh wenige ausmachen, im Grunde präsentiert uns Regisseur Neil Burger die standartisierten Ausprägungen eines Sozialgefüges. Schauspielerisch ist aber alles im grünen Bereich. Tye Sheridan wird seiner Rolle des gutmütigen Anführers gerecht, Lily-Rose Depp verkörpert die naive und doch renitente Konkubine und auch Fionn Whitehead überzeugt als schmieriger Antagonist, der durchaus in der Lage ist, den Hass der Betrachter auf sich zu ziehen.

Fazit
„Voyagers“ ist eine kurzweilige Charakterstudie in der Schwerelosigkeit, überzeugt mit toller Optik, anhaltender Atmosphäre und einer guten Gesamtleistung seines Casts. Auf emotionaler Ebene wirkt der Ausflug ins All fremdartig distanziert und irritiert mit logischen Unzulänglichkeiten, sodass der Film sich nicht in astronomische Qualitätsregionen schwingen kann. Insgesamt manövriert der SciFi-Thriller aber fernab der prophezeiten Bruchlandung und ist gerade für das etwas jüngere Publikum durchaus einen Blick wert.
Bewertung
(67/100)
Bilder: ©Lionsgate/Amazon
Ihr sucht weitere Streaming-Tipps? Dann haben wir hier etwas für euch vorbereitet.