Man kommt als Filmfan nicht umhin sich schön langsam zu fragen, was eigentlich mit dem mehrfach oscarnominierten Schauspieler Liam Neeson los ist. Natürlich gibt es in der Filmbranche den geflügelten Ausspruch „einen für die, einen für mich“, was unter Regisseuren und Darstellern so viel bedeutet wie, dass man immer wieder zwischen Filmen wechselt, die Geld ins Börserl spülen, und solchen, die richtige Herzensprojekte sind. Bei Neeson hat man aber, ähnlich wie bei manchen seiner in die Jahre gekommenen Kollegen, das Gefühl, dass diese Herzensprojekte immer seltener werden und dafür ein belangloser Actionfilm nach dem anderen auf die Zuschauer losgelassen wird.

von Mara Hollenstein-Tirk

Begonnen hat alles damals, im Jahr 2008, als ein kleiner Film namens „96 Hours“ in die Kinos kam. Zu dieser Zeit glaubte eigentlich niemand (nicht einmal Neeson selbst), dass der Film viel Geld einspielen würde – man ging sogar eher von einem Rohrkrepierer aus. Doch siehe da, die Zuschauer strömten weltweit in Massen in die Kinosäle und am Ende hatte der adrenalinhaltige Streifen beinahe das 10-fache seines Budgets alleine an den Kinokassen eingespielt. Das war sie also, die Geburtsstunde des Actionstars Liam Neeson. Seit dem spielte der große Ire in gut einem dutzend solcher Actionfilme mit. Letztes Jahr hieß der entsprechende Kandidat „Honest Thief“ und er fiel, wie so viele andere Starts 2020, der pandemiebedingten Schließungen der Kinos zum Opfer, was wahrscheinlich erklären dürfte, wieso er nun seit einigen Tagen ohne Kinostart davor auf Amazon Prime zu sehen ist.

Wie oben bereits angedeutet, handelt es sich bei „Honest Thief“ um ein Actionvehikel nach Schema F. Tom Dolan (Liam Neeson) ist nach seiner Zeit beim Militär zum Meisterdieb geworden und begeht unter dem Pseudonym „In and Out“-Räuber einen lukrativen Bankraub nach dem anderen – stets des Nachts und ohne jemanden zu verletzten. Doch dann ist plötzlich Schluss damit, Tom hat nämlich eine Frau kennengelernt. Annie (Kate Walsh) heißt die Angebetete und die Funken sprühen wie wild. Bevor allerdings ein gemeinsames Leben geplant werden kann, muss Tom erst noch sein Gewissen erleichtern. So beschließt er, sich dem FBI zu stellen und im Gegenzug für das erbeutete Geld, Tom hat davon nämlich keinen Cent ausgegeben, möchte er Strafmilderung erhalten. Allerdings hat er nicht damit gerechnet, dass die beiden FBI-Agenten das Geld nicht beschlagnahmen, sondern lieber in die eigene Tasche stecken und beginnen, Jagd auf Tom zu machen, um ihn zu liquidieren. Doch da haben sie die Rechnung ohne den ehemaligen Marine gemacht, der ihnen eindrucksvoll beweist, dass es schon mehr als zwei Grünschnäbel braucht, um einen alten Haudegen um die Ecke zu bringen.

Nach dieser doch recht langen Inhaltsangabe könnte man noch meinen, dass sich hier recht viel Story für einen Film des Actiongenres verbirgt, aber dem ist leider nicht so. Denn mehr als das oben Beschriebene findet sich in den gut eineinhalb Stunden Film auch nicht an Inhalt. Kenner können sich aus diesen paar Zeilen auch schon sämtliche Plotpoints und Entwicklungen zusammenreimen, ebenso wie ein kundiger Zuschauer nach den ersten 10 Minuten. Nichts schlägt hier aus der Norm, alles bewegt sich schön die ausgetretenen Pfade entlang, ohne dass jemals so etwas wie echte Spannung oder gar Überraschung aufkommen könnte. Es gibt den vermeintlichen Antihelden, der eigentlich der Gute ist, den richtig Bösen, den von seinem Gewissen Geplagten, den guten Cop und natürlich den Stein den Anstoßes (in diesem Fall halt das Love Interest).

Das Erstaunliche: Trotz all dieser Vorhersehbarkeit und mangelnden Kreativität könnte man nicht behaupten, dass auch nur eine Sekunde Langeweile während der Sichtung aufkommen würde. Die Chemie zwischen Neeson und Walsh funktioniert erstaunlich gut, Jai Courtney hat schon oft genug bewiesen, dass ihn alleine sein grimmiger Blick zu einem ganz passablen Bösewicht macht, das Tempo wird ständig hoch gehalten und auch die Actionszenen sind zwar nicht herausragend, aber doch recht solide Kost.

Fazit:

Wer also nicht genug von Liam Neeson in seiner in den letzten Jahren kultivierten Paraderolle bekommen kann, der wird auch mit „Honest Thief“ durchaus seine Freude haben. Alle, die nach etwas kreativeren Beiträgen am Actionfirmament suchen, sollten sich allerdings nach einem anderen Film umschauen, denn hier findet man nichts als Klischees und Konventionen.

Bewertung:

Bewertung: 6 von 10.

(56/100)

„Honest Thief“ ist seit 28.5. auf Amazon Prime zu sehen.

Bild: Amazon Prime Video